Covid-19-Epidemie
Gibt es jetzt eine Strategie zum Umgang mit dem Corona-Virus?
Gestern, am 15.04.2020 wurden in einer Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten(-innen) der Länder Beschlüsse zum weiteren Umgang mit der COVID-19-Epidemie gefasst. Es gab danach in der Bevölkerung, in der Presse, in der Wirtschaft usw. zufriedene Reaktionen, Unzufriedenheiten, Ablehnungen usw., das liegt in der Natur der Sache. Ich möchte nicht auf einzelne Maßnahmen eingehen oder diese kommentieren, sondern eine grundsätzliche Frage stellen:
Ist das, was dort jetzt vereinbart wurde eine Strategie zum Umgang mit dem Corona-Virus oder weiterhin ein "Fahren auf Sicht" ohne langfristige Perspektive? Das alleinige Fahren auf Sicht wurde unseren Entscheidern, möglicherweise zu Recht, schon häufig vorgeworfen.
Schauen wir uns mal die Beschlüsse etwas genauer an. Dazu ist es übrigens viel einfacher und zeitsparender die Beschlüsse im Original zu lesen, als zahlreiche Artikel in der Presse zu studieren! Naturgemäß konzentriert sich die mediale Berichterstattung auf die Themen, die von den Menschen unmittelbar wahrgenommen werden und die direkt und kurzfristig das alltägliche Leben beeinflussen:
Was wird erlaubt, was wird oder bleibt verbotenen?
Was bleibt geschlossen, was wird wieder geöffnet?
Was passiert mit Kitas, Schulen usw.?
So weit, so gut. Das sind genau die Dinge, die auch bisher nach dem Motto "Fahren auf Sicht" anhand von Kennzahlen und diversen wissenschaftlichen Einschätzungen politisch entschieden werden. Sie werden in kurzen Abständen geprüft und angepasst, nächster Termin ist vermutlich der 28. April. Das ist noch keine Strategie!
Leider wird in der Berichterstattung häufig ein anderer Teil der Beschlüsse vernachlässigt, der aus meiner Sicht aber für die langfristige Ausrichtung zum Umgang mit der Epidemie von zentraler Bedeutung ist. Hier ist (zum ersten Mal?) so etwas wie ein strategischer Ansatz erkennbar. Dieser ergänzt tatsächlich die restriktiven Maßnahmen, die auch weiterhin nur "auf Sicht" geplant und entschieden werden. Dabei geht es insbesondere um langfristig wirkende Maßnahmen wie:
- personelle Aufstockung im öffentlichen Gesundheitswesen
- Absicherung von Testkapazitäten durch den Bund (insbesondere finanzielle Risiken)
- Entwicklung und Bereitstellung einer (freiwilligen) App zum Corona-Tracking
Wozu soll das gut sein?
Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, wieder in einen Zustand zu kommen, der die individuelle Verfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten ermöglicht. Dies ist ausdrücklich als Ziel formuliert. Durch Mängel, Versäumnisse und Groß-Ereignisse (Karneval, Feste, Fussballspiele, Apres-Ski usw.) zu Beginn der Epidemie sind aber die Infektionszahlen so hoch angestiegen, dass dieses Vorgehen nicht mehr möglich war und es blieben zunächst nur die jetzt gültigen eindämmenden restriktiven Maßnahmen umsetzbar. Zurück in den ersten Zustand bietet wieder die Möglichkeit, dass Alltagsleben und die Wirtschaft einigermaßen zu normalisieren und bis auf weiteres mit dem Virus zu leben. Bis auf weiteres heißt dabei vermutlich: Bis zur Verfügbarkeit ausreichender Mengen an Impfstoff. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass zur Erreichung dieses "Wunschzustandes" die Infektionszahlen noch weiter abgesenkt werden müssen und das bestimmte Maßnahmen (Hygiene, Kontaktreduzierung, ...) auf Dauer eingehalten werden müssen.
Warum diese Vorgehensweise die einzige ist, die medizinische und wirtschaftliche Belange einigermaßen unter einen Hut bringen kann, kann eine junge Dame viel besser erklären als ich. Mai Thi Nguyen-Kim ist Vielen sicher bekannt als Nachfolgerin von Ranga Yogeshwar in der WDR-Sendereihe "Quarks & Co". Schon seit einigen Jahren betreibt sie auch einen Video-Blog zu allen möglichen, überwiegend aber wissenschaftlichen Themen. Bereits Anfang April erstellte sie einen Video-Beitrag zum Corona-Thema:
Mai Thi Nguyen-Kim zur Covid-19-Epidemie
Achtung: Das Video ist über 20 Minuten lang. Um aber wirklich zu verstehen, was wir jetzt in der Epidemie erreichen müssen und auch warum, ist es notwendig das Video komplett und in Ruhe anzuschauen.
Nun wird unsere Regierung sich kaum in ihren Entscheidungen an den Empfehlungen einer Youtouberin ausrichten. Es gibt aber prominente Unterstützung. Im Gegensatz zu Robert-Koch-Institut und Leopoldina wurde diese aber bisher in der öffentlichen Berichterstattung nicht besonders nach vorne gestellt. Am Ostermontag veröffentlichte die Helmholtz-Gesellschaft ein Positionspapier, dass genau diese Vorgehensweise empfiehlt. Ich habe das Gefühl, dass speziell Angela Merkel sich sehr stark an diesem Papier orientiert. Dann könnte daraus auch endlich eine langfristige Strategie werden!
Autor:Armin von Preetzmann aus Castrop-Rauxel |
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