Interview mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe
"Die SPD muss zu sich selbst finden"

" In der Gesellschaft wählt kaum noch jemand automatisch SPD", sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Frank Schwabe. Foto: Archiv
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Die SPD stürzt in der Wählergunst weiter ab. Der Rücktritt von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles erfordert eine personelle wie auch inhaltliche Neuausrichtung der Partei. Wohin, SPD? Der Stadtanzeiger sprach mit dem Castrop-Rauxeler SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe.

Wie geht es weiter in/mit der SPD?
"Die SPD muss zu sich selbst finden. Klar sein beim Thema der sozialen Gerechtigkeit, klar sein beim Thema eines sozial ausgerichteten Klimaschutzes und klar sein beim Thema Friedenspolitik. Das muss dann am Ende des Jahres mit dem Bundesparteitag in einer klaren politischen Ausrichtung münden. Die Themen der SPD sind nicht altmodisch, sondern hochaktuell, und wenn wir es richtig anstellen, wird es dafür auch eine Menge Zustimmung geben."

Was halten Sie von einer Doppelspitze an der Spitze der Partei?
"Ich bin da gar nicht entschieden. Es hängt von den Personen ab. Mit den Richtigen geht das in einer Doppelspitze genauso wie in einem kleinen Team mit einer Person an der Spitze mit vielleicht zwei oder drei an deren Seite als Stellvertreterinnen oder Stellvertreter."

Wer könnte diese Aufgabe Ihrer Meinung nach übernehmen?
"Namen will ich jetzt keine nennen. Aber in der SPD gibt es sehr viele, die das gut könnten. Wir müssen jetzt gut überlegen, welche Personen es an der Spitze braucht. Sie müssen authentisch zu ihren politischen Überzeugungen stehen, als Personen die Themen der sozialen Gerechtigkeit, des Klimaschutzes und der Friedenspolitik verkörpern können und natürlich auch wissen, wie es geht. Und eine gehörige Portion Sympathie kann natürlich auch nicht schaden."

Wie lautet Ihre Antwort, wenn Sie gefragt würden, ob Sie die Aufgabe übernehmen möchten?
"Ich nehme an, ich werde gar nicht gefragt. (...) Aber ich mische natürlich trotzdem mit. Ich vertrete mit dem Klimaschutz und den Menschenrechten in den vergangenen 14 Jahren durchaus Themen, die die SPD stärker ins Zentrum rücken muss. Als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten und Grünen im Europarat gehöre ich zur erweiterten Führung auch in der Bundestagsfraktion. Diese Verantwortung nehme ich auch wahr und bringe mich ein."

Welche Schritte sind für die SPD jetzt nötig, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen?
"Die SPD darf nicht einer Zeit hinterhertrauern, die vorbei ist. In der Gesellschaft wählt kaum noch jemand automatisch SPD. Der feste Sockel einer Stammwählerschaft ist weg. Das heißt aber nicht, dass für die SPD nichts mehr zu holen wäre. Selbst bei diesem so schlechten Europawahlergebnis liegt die SPD in Castrop-Rauxel noch knapp vorn.
Die SPD muss jetzt aber ihre zentralen Themen auch und gerade in einer Auseinandersetzung mit anderen Teilen der Politik und Gesellschaft zuspitzen und damit wahrnehmbar werden. Demokratischer, vernünftiger Streit ist gut. Und die SPD muss ihre besten Köpfe nach vorn stellen, auch personell auf der Höhe der Zeit sein."

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für den Absturz der SPD?
"Dass die Wahlergebnisse andere sind als vor 30 oder 40 Jahren, hat mit einem Wandel der Gesellschaft zu tun, den man ja in Castrop-Rauxel sehen kann, wenn man durch die Stadt fährt. Diese Gründe sind einfach da und man muss als SPD damit umgehen. Dazu kommt, dass die Große Koalition unser Profil verschwimmen lässt und wir eben in den letzten zwei Jahrzehnten zu wenig klar gemacht haben, auf welcher Seite wir eigentlich stehen. (...)"

Sollte die Große Koalition jetzt beendet werden?

"Der Kreisverband Recklinghausen der SPD, dessen Vorsitzender ich bin, hat das jedenfalls beschlossen. Ich nehme an, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren werden, was diese Koalition bewirkt hat und was sie noch bewirken könnte. Eine noch so genannte Große Koalition muss sich doch daran messen lassen, ob sie zu den großen Themen etwas Entscheidendes beitragen kann. Kommt endlich etwas beim Klimaschutz, z.B. durch ein umfassendes Klimaschutzgesetz und den Kohleausstieg? Werden wichtige Schritte gegangen, das Land sozial gerechter zu machen, z.B. durch eine Grundrente? Und können wir mehr Frieden schaffen, z.B. durch eine drastische Einschränkung von Waffenexporten? Ich bin skeptisch, ob das alles mit CDU und CSU geht. Geht es nicht, wird sich kaum jemand in der SPD finden, der diese Koalition fortsetzen will."

Autor:

Lokalkompass Castrop-Rauxel aus Castrop-Rauxel

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