Altstadtmarkt: Keramik, Knochen und Zähne ausgegraben
Hätten die Planer und Baufachleute nicht ahnen müssen, dass im Erdreich unter dem Altstadtmarkt Historisches schlummert, das nur darauf wartet, zutage gefördert zu werden? Hätten Probebohrungen Hinweise liefern können?
Wurde ein Blick in alte Aufzeichnungen geworfen, um festzustellen, was einmal dort stand, wo heute Markt abgehalten wird und Besucher beim Einkaufsbummel flanieren? Zumal der Markt 1985 schon einmal erneuert wurde. Und im vergangenen Jahr beim Start der Kanalbauarbeiten entsprechend eines Expertenhinweises stets Ausschau nach den Resten eines Friedsgrabens gehalten, er aber nicht gefunden wurde.
"Es war sehr schwierig einzuschätzen, ob unter dem Markt etwas liegen würde. Aber in Städten, die schon im Mittelalter bestanden, muss man immer damit rechnen, etwas zu finden", erläutert Dr. Christoph Grünewald vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)/Archäologie für Westfalen. Die ältesten Pläne stammten aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Aber am Ende sei es immer eine Abwägung, wie intensiv so ein Baufeld untersucht werde.
Wasserleitung aus Holz
Soviel steht allerdings fest: Jetzt haben die Archäologen das Sagen auf der Baustelle. Kerstin Lehmann vom Unternehmen Archbau hat sozusagen das Kommando. Ohne ihre Entscheidung passiert gar nichts mehr.
Schließlich haben die Arbeiten inzwischen nicht nur alte Hölzer, Balken und Pfähle ans Licht gebracht. Auch Knochen vom Unterkiefer eines Schweines, Zähne bislang unbekannter Herkunft, Glas, mächtige Steine, der Boden eines Fasses aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, der als Hinweis auf eine frühere Gerberei gedeutet wird sowie eine hölzerne Wasserleitung wurden ebenfalls freigelegt. Dazu eine Tonscherbe aus dem 13. Jahrhundert, möglicherweise von einem Krug. "Die Machart des Prosteinzeugs mit einem gekniffenen Standring belegen, dass es sich um die 'Siegburger Art' handelt", urteilt Kerstin Lehmann.
Als "hoch spannende Situation" beschreibt Christoph Grünewald die aktuelle Lage am Altstadtmarkt. "Hier war nicht immer Markt. Davor gab es eine Siedlung zwischen dem früheren Oberhof aus dem 9. Jahrhundert (heute steht dort das Adalbert-Stifter-Gymnasium) und der St. Lambertus-Kirche. Die Funde könnten genaueren Aufschluss geben."
Zugleich betonte Grünewald: "Wir werden keine Grabungen machen nach all unseren Wünschen. Das würde ein ganzes Jahr dauern." Gemeinsam würden Stadt und LWL jetzt ein Konzept entwickeln, wie die Baustelle möglichst zügig vorangetrieben werden könne. Denn da waren sich alle Beteiligten einig: Von Baufortschritt könne derzeit keine Rede mehr sein.
"Wir werden versuchen, die Schichten mit archäologischen Funden zu schützen. Wir schauen nur von oben drauf, legen aber nichts frei. Es wird allerdings für jeden Quadratmeter neu überlegt, wie es weitergeht", erläuterte Grünewald das weitere Vorgehen. "Wir haben noch einiges zu tun, um alles interpretieren zu können. Archäologisch ist Castrop-Rauxel ein Hotspot", betonte er auch mit Blick auf frühere Ausgrabungen auf dem ehemaligen Erin-Gelände sowie am Regenrückhaltebecken der Emscher in Ickern.
"Falsch eingeschätzt"
Die ersten alten Hölzer, die im Bereich des Reiterbrunnens gefunden und ausgebaggert wurden, sind wertlos für die Archäologen. "Das haben wir falsch eingeschätzt. Sie sind nicht sachgerecht ausgebaut und gelagert worden", räumte Thorsten Werth-von Kampen vom EUV ein.
Gleichzeitig kündigte der EUV an, dass angesichts der archäologischen Funde, die nach Sichtung und Kartierung als Bodendenkmal erhalten bleiben, der Aufbau der Marktplatzoberfläche modifiziert werden müsse. Man müsse stellenweise eine geringere Tragfähigkeit in Kauf nehmen. "Das heißt nicht, dass die Steine wackeln werden." Aber bei der Kirmes etwa könnten möglicherweise die tonnenschweren Fahrgeschäfte nicht zwingend wieder dort stehen, wo sie bislang waren.
Für die Kaufleute der Innenstadt wünscht sich Matthias Zimmer, Vorsitzender der Standortgemeinschaft Casconcept: "Es muss jetzt mit Hochdruck daran gearbeitet werden, die Umgestaltung möglichst zügig abzuschließen."
Wie geht es weiter?
In zwei Wochen will die Stadtverwaltung sagen können, wie hoch die Mehrkosten für den zweiten Bauabschnitt der Marktplatzumgestaltung sein werden. Der Technische Beigeordnete Heiko Dobrindt kündigte an: "Die Arbeiten werden erheblich teurer."
Ebenfalls in 14 Tagen soll feststehen, wie sich die archäologische Sichtung und Begutachtung auf den Zeitplan der Bauarbeiten auswirkt.
Autor:Lokalkompass Castrop-Rauxel aus Castrop-Rauxel |
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