Morgens um 6 ist die Welt ist die Welt noch in Ordnung…
Über die Unbilden eines ansonsten eventuell
friedlichen Sonntagmorgens.
Der Winter will nicht von uns lassen. Schön ist das, schön anzuschauen. Besonders an einem Sonntagmorgen im nördlichsten Zipfel einer Mittelstadt wie Castrop-Rauxel. Viel los ist in dieser Bauernschaft schon unter der Woche nicht, geschweige denn an einem Wochenende. Das ist im Winter wie im Sommer immer gleich. Busse fahren hier nur zu Schulzeiten außerhalb des Stundentaktes, am Wochenende sogar seltener. Keine Pendler, die zu früher Stunde ihren Arbeitsweg antreten – alles ist verschlafen, ruhig, unaufgeregt.
Beinahe schon ein wenig eintönig, könnte man meinen.
Das könnte man, das sollte man aber lieber nicht. Denn auch auf dem Dorf brodelt es unter dem Eis. Nicht überall, aber hinter manch einer Tür wohnen auch hier die Umtriebigen, die Verlässlichen, die die immer alles im Blick behalten. Jetzt entbindet das winterliche Gastspiel natürlich niemanden von leidigen Pflichten. Da kann der puderig-feine Schnee sich noch so idyllisch ausmachen. Was weg muss, muss weg! Ist ja auch richtig so. Schließlich sind vereiste Bürgersteige bisweilen eine ganz schön kniffelig-gefährliche Angelegenheit – und es soll ja niemand zu Schaden kommen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man auch selbst mal ‚auspitschen’ könnte. In dörflicher Idylle fragt man sich zwar ganz gelegentlich, für wen man da so beständig fegt und räumt, da ja außer den Fegenden und Räumenden eigentlich kaum jemand zu sehen ist auf den Gehwegen und Straßen. Aber egal, das ist eben so. Und das muss auch so sein. Es gibt dazu ganz klare Richtlinien, so zu lesen in einer der EUV-Verlautbarung zum Thema Winterdienst:
• Werktags
Der gefallene Schnee und die evtl. entstandene Glätte müssen
zwischen 7:00 Uhr und 20:00 Uhr unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls
beseitigt werden.
• Sonn- und Feiertags An Sonn- und Feiertagen ist der gefallene Schnee und die
evtl. entstandene Glätte zwischen 9:00 Uhr und 20:00 Uhr zu beseitigen.
Und wissen Sie was? Das kann überhaupt nicht stimmen! Unser Nachbar von schräg gegenüber mutet eh so an, als ob er sich mit den meisten Dingen des alltäglichen Lebens besser auskennt. Er sieht auch schon so aus. So ökoorientiert, so aus den späten Sechzigern, wenn Sie wissen, was ich meine. Also, solchen Menschen kann man schon von Weite trauen und zugestehen, dass sie im Thema sind. Ich bin da nahezu einer festen Überzeugung, bin ja selbst nicht unähnlich!
Also heute, an diesem Sonntagmorgen, der sein letztes Kapitel in Sachen Wintermärchen schreibt, ist mir klar geworden, dass ich –stellvertretend für all die anderen Nichtsahnenden – wahrscheinlich wieder mal nicht im Bilde bin. Da nützen auch die vielen Jahre im Dienste einer Dortmunder Entsorgungsfirma, für die ich mich journalistisch mit Müllbeseitigung und Räumdiensten beschäftigt habe gar nichts. Zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit muss die Sache im Winter anders laufen. Und besonders an Wochenenden, denn da haben wir Bürger doch alle vielmehr Zeit, uns einzubringen...ja, ist doch so!
Also, es könnte ja alles so einfach sein – und in diesem Fall ist es das ja auch:
Man braucht einfach nur gute Vorbilder! Zum Beispiel einen aufgeklärten, engagierten Nachbarn - und der Laden läuft. Früher Vogel fängt den Wurm bzw. räumt den Schnee!
Keine Angst. Falls Sie mal feiern, netten Besuch hatten o. ä. – und somit Gefahr laufen könnten, im winterlichen Räumungsspiel zu versagen – Sie haben dann doch Ihren Nachbarn!! Da kann nix schiefgehen.
Mir wäre es ja heute morgen um ein Haar auch bald wieder passiert! Und das, obwohl ich zu den notorischen Frühaufstehern gehöre. Aber – drei Minuten vor 6 – war ich meiner Sorge entledigt!! Einen kleinen Moment dachte ich noch, dass eine Dachlawine von unserem Haus abgegangen wäre, aber das war glücklicherweise natürlich nicht der Fall. Es war der stets verlässliche Nachbar von schräg gegenüber: Eingemummelt in seinen winterdiensttauglichen Parka, den Kopf unter einer muckeligen Rollmütze versteckt und frohgemut seine an Größe kaum zu überbietende Schneeschaufel über den leicht vereisten Gehweg schrappend…
Was war ich froh, um drei vor 6 an meine Pflichten erinnert zu werden!
Ich bzw. wir in einem Umkreis von 100 Metern können doch von Glück reden. Bisweilen schläft man an einem Sonntag doch so tief und fest, dass man wesentliche Sachen glatt verpennen könnte! Vor Scham und Schreck bin ich deshalb um zwei vor 6 auch fast aus dem Bett gefallen, aber erst nachdem ich kerzengerade in die Höhe geschossen war!!
Was soll ich sagen: Ich habe sofort das Rollo hochgezogen und mich lauthals beim umtriebigen Nachbarn von schräg gegenüber bedankt! Wir alle auf unserer Straße sind so froh, dass wir uns auf ihn verlassen können!
Morgens um 6 ist die Welt auf einem „Dorf“ halt noch in Ordnung …
Fotos: Facebook.com
Autor:Vera Auffenberg aus Castrop-Rauxel |
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