"Das Mutti“– im letzten Leben war ‚das Mutti’ eine Frau. Jetzt ist sie Supermum.
Kolume: Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht.
Da haben wir sie ja wieder. Lange nicht gesehen, aber sofort wiedererkannt. Sie begleitet unser Leben nun schon über viele Jahre. Ungewollt und omnipräsent in allen Lebenslagen unseres eigenen Mutterseins trat und tritt sie immer mal wieder ins Geschehen.
Sie ist ‚das Mutti’, das allwissende weibliche Wesen, das mir und anderen Frauen von Stund an, den Weg hat weisen wollen, durch die Klippen der Erziehung und des Mutterseins. Und wir alle wünschten, sie wäre uns nie begegnet, so sehr nervt sie uns. Doch das stört die Supermum nicht, denn sie hat einen inneren Auftrag. Und den lebt sie - allüberall…
Ich habe Kinder. Ich habe sie mir gewünscht und habe sie bekommen. Persönliches Lebensglück pur - mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Denn wer außerhalb meines ‚inner Circle’ könnte Interesse an kleinschrittigen Informationen zu unserem Familiethema haben? „Sie erzählen gar nicht viel von ihren Kindern“, stellte vor vielen Jahren mal ein Kollege aus dem Marketing fest. Stimmt. Was wollte er denn wissen? Wie frohgemut einen der Anblick von zwei kleinen Wesen täglich stimmen kann? Oder wie es einem so geht beim ‚Zusammenfudeln’ von Beruf und Privatleben? Ich glaube eher nicht, und deshalb war und ist das Thema Kind für mich in meinen Außenkontakten eher ein spezielles Thema. Den ganzen Tag dominier(t)en die lieben Kleinen das eigene mütterliche Leben, das ist richtig und schön so. Aber in einer für viele Jahre etwas spärlichen , persönlichen Freizeit durften und dürfen Gedanken anderer Art bei sich bietender Gelegenheit ausgetauscht werden. Und irgendwie habe ich auch nie den Drang verspürt, anderen zu sagen, wie Familie und Erziehung so geht.
Und dann kam sie: Die Supermum.
Sie begegnet einem überall: In der Krabbelgruppe, der Grundschule, im Sportverein, Gymnasium…. Und scheinbar verlässt sie einen auch nie. Sie weiß soviel, kann alles und hat bestimmt einen Kurs in PR (Public Relations) belegt, denn die dort kreierte Faustregel ‚Tu Gutes und sprich darüber’ kannte sie schon vorher.
Nicht genug, dass die Kinder statt Süßigkeiten nur Salzstangen und Rosinen zu schmatzen bekamen, wenn diese nicht aus dem Bioladen stammten. Was die Kinder schauen eine halbe Stunde fern? Lest ihr nichts zusammen? Deine Kinder sind im Internet?! Das Thema ist beliebig austauschbar. Sie weiß zu allem etwas - und meistens sogar besser. Die Supermum ist aber nicht unbedingt blöd oder bildungsfern zu nennen. Sie kann aus jeder Schicht, aus jeder Berufssphäre stammen. Je intellektueller, umso anstrengender und ausschweifender.
Ich bin mit meinen Kindern gut durchgekommen. Sie sind kurz vor dem Studium und kriegen ihr Leben prima hin. Sie haben sich abgearbeitet an mir, so wie es in bestimmten Lebensphasen auch sein sollte. Ihr Vater und ich haben ihnen immer ein dauerhaftes Beziehungsangebot gemacht und sie haben es angenommen. Wir bleiben immer kommunikativ und emotional in Kontakt, dann kann nichts schiefgehen. Ab einem bestimmten Alter ist Erziehung ja nur noch sehr begrenzt möglich, " Orientierungen sind dann gefragt", so eine befreundete Familientherapeutin.
Die Supermums sind da anderer Meinung: Keine Situation und kein Sachverhalt ihres freudvollen Elterndaseins, der nicht relativiert und mitgeteilt wird. Es ist erstaunlich, wie sehr sie das Thema Kind in jedes beliebige andere Thema eingebaut werden kann. Und: Keine Geburtstagsfeier, keine Party, zu der sie ihre Kinder nicht mitbringen. Zumeist sind es dann die einzigen Kinder, die sich in der Erwachsenwelt langweilen, sei es drum.
Aber das alles wäre ja erträglich, irgendwie… Doch das reicht einer Supermum nicht. Sie braucht den Vergleich, den Abgleich mit anderen. Ohne Sachverhalte oder gar die angesprochene Person richtig zu kennen, werden Feststellungen formuliert und Ratschläge erteilt. Das kann bis in berufliche Zusammenhänge reichen, wo Supermums einem mitteilen, dass man quasi ein befremdliches, falsches Miteinander mit seinen Kindern hat. Hallo! Kennen wir uns irgendwie näher? möchte man fragen. Aber lohnt sich das? Nach vielen Jahren sage ich: Nein. Eine Supermum ist nicht an Meinungen und Gegenreden interessiert, Ironie oder Sarkasmus versteht sie nicht. Man muss sie hinnehmen, so wie schlechtes Wetter. Vielleicht muss Supermum ja auch in erster Linie immer wieder sich selbst überzeugen, dass alles richtig ist, was sie tut und denkt, wer weiß das schon. Liebe Supermum, hier mein Tipp: Geh einfach mal in dich – und bleibe eine Weile drinnen, und nerv uns nicht so. "We don’t need your education"! Ach ja: Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht…
Autor:Vera Auffenberg aus Castrop-Rauxel |
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