Von Brunnen und Pumpen in Castrop – Rauxel
Auch in unserer Stadt und ihrer Umgebung denkt keiner mehr daran, dass es einmal anders gewesen sein könnte, und doch waren die Castroper bis 1886 auf einfache Behältnisse angewiesen, um an das kühle Nass zu kommen. Zunächst gab es im alten Castrop Brunnen, die so genannten „Pütts“. Ein solcher Pütt war von einem mit einer Tür versehenen Bretterhäuschen überdacht. In demselben befand sich eine Rolle aus Holz, um die eine bis in das Wasser reichende Kette hing. Mit Hilfe der Rolle wurde das Wasser in einem Eimer „heraus georgelt“.
In späterer Zeit traten, je nach der Wohlhabenheit und Wirtschaftlichkeit, anstelle der „Pütts“ die Pumpen, die einen „guten Teil“ bequemer waren.
Der älteste Nachweis über die vorhandenen Brunnen stammt aus dem Jahre 1820. Insgesamt waren dies 36 „Pütts“.
Hier einige Beispiele:
Hellbrügge, Schulstr., heute „Im Ort“
Callenberg, Münsterstr.
H. König Köppencastrop
Reitemeyer, Biesenkamp
H. Edelhoff, Biesenkamp
H. Sonntag, Dorf Rauxel
Roever, Mühlenstr.
Kath. Pfarrhaus, Widumerstr.
Cafe Dawin, Wittener Str.
Um dieselbe Zeit befanden sich 22 Pumpen in Castrop.
Auch hier einige Beispiele:
W. Kohlpoth, Kotten in Rauxel
W. Thurig, Kaufhaus „Zum Bär“, Münsterstr.
Velleuer, Sanitätsrat Dr. Keimer, Wittener Str.
C. Frombach ( Schlosser Friebel,
frühere Bahnhofstr., heute Herner Str.)
H. Steinfühler, Wittener Str.
W. Flasbarth, Kirchgasse in Castrop
Major Rost, Schloss am Mühlenteich
J. Schmidt, An der Synagoge
Im Jahre 1827 ließ der Apotheker Demmer eine neue Pumpe vor seinem Haus auf dem Markt installieren, wie auch Christoph Callenberg ( Bäckerei Paul Beulmann, Münsterstr.)
Neben den privaten gab es auch öffentliche Brunnen und Pumpen, die von der Gemeinde angelegt wurden, die einerseits bei Bränden dienten, andererseits die Bürger mit Wasser versorgten, die über einen eigenen Brunnen nicht verfügten.
Castrop besaß drei öffentliche Brunnen beziehungsweise Pumpen. Auf dem Gelände, wo sich vormals das Lebensmittelgeschäft Karlsbach (Ringstr.) befand, wurde um 1800 an gleicher Stelle ein Haus vom Kaufmann Karl Schmidt gebaut; dort befand sich der städtische Feuerbrunnen, im Volksmund „Brandpütt“ genannt. Er war mit einem schönen Brunnenhäuschen umbaut und hatte dort einige hundert Jahre Bestand.
Im Jahre 1815 musste Karl Schmidt auf seine Kosten zwischen seinem und dem Haus von Heinrich Callenberg eine Pumpe einrichten, die auch genügend Wasser fördert. Der Standort war an der Ringstraße, in unmittelbarer Nähe des Amtshauses Rauxel (ab 1926 Rathaus). Eine weitere Pumpe stand vor der Buchhandlung Reinhard an der Wittener Straße. Im Jahre 1820 setzte die Stadt an der Straßenecke zwischen den Häusern von Neubauer und Kalthoff eine schöne Pumpe, und eine weitere stand vor Sebalds Haus im Biesenkamp.
Interessant waren die Fontänen, im Volksmund auch „springende Springs“ genannt. Es waren mehr oder minder stark hervorsprudelnde Quellen, welche sich leicht im welligen Gelände je nach Bodenbeschaffenheit bildeten.
So gab es folgende „Springs“:
In der Nähe des alten Mühlenteiches, wo das abgebrannte Kino stand, ließ im Jahre 1828 der Blaufärber von Eupen eine Fontäne bohren. Die Arbeit gelang und so sprang das Wasser 4-5 Fuß hoch.
Bei dem Lohgerber Schmiding ( später Anstreichermeister Wilhelm Röwer ) gab es eine, die recht stark sprudelte. Wenn der Besitzer den Zapfen aus dem Verschluß der Fontäne zog, hatten alle benachbarten Fontänen kein Wasser.
Wie man erzählte, tat er das mit Vorliebe, wenn man ihn geärgert hatte.
An der Widumerstraße gab es weitere Fontänen, beim Gasthof Hellwig, bei dem Haus des Lehrers Rüfe, das später Ortmann gehörte, beim Haus Schreckenberg, späterer Eigentümer Karl Plassmann, und beim Haus des Lehrers Heinemann, die aber nur wenig Wasser führte. Beim Haus von Joseph Korte am katholischen Friedhof (Bochumer Str., Ecke Karlstr.) und bei dem Anwesen eines Fritz Westerbusch an der Cottenburgstr. waren ebenfalls „springende Springs“.
Als der Bergbau sich mehr und mehr ausdehnte und der Bergmann zielbewusst tiefer und tiefer in das Innere der Erde vordrang, nahm naturgemäß das Wasser in den Pumpen und Brunnen ab, ja manche versiegten. Insbesondere war es mit der Herrlichkeit der Fontänen vorbei. Das gab zu manchem Ärger Anlass und führte sogar zu Rechtsstreitigkeiten. So klagte Büchter gegen die Bergwerksgesellschaft Lothringen, aber ohne Erfolg.
Nachdem die Industrialisierung stetig ihren Lauf nahm und die Stadt wuchs, war auch der Bedarf an Wasser gestiegen .So drohten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Brunnen zu versiegen, weil durch die Kohlenförderung der Grundwasserspiegel abgesenkt worden war.
Der Industrielle Friedrich Grillo unternahm einen innovativen Schritt und gründete im Jahr 1877 die erste Wasserwerksgesellschaft, das „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier zu Castrop.“ Damit stand die Wiege der heutigen Gelsenwasser AG in Castrop. Nur mit dem Wasserwerk konnte die Schachtanlage Erin wieder in Betrieb genommen werden, die durch Wassereinbrüche „ abgesoffen“ war.
Mit dem Wasserwerk kam dann das Wasser durch Leitungen bis in die Häuser und schnell hatte der Stadtmensch sich daran gewöhnt, das kühle Nass aus der Leitung zu zapfen. Er drehte den Messing- oder Weißmetallhahn auf und schon sprudelte das Wasser in jeder Menge.
Es gab aber auch erstaunliche Ausnahmen in einigen Bezirken unserer sonst so modernen Stadt. Heute kaum vorstellbar, hatte das Wohngebiet der Cottenburger Schlucht wie auch das der Oberspredey im Jahre 1951 noch keine Wasserleitung. Hier herrschte wie zu Urgroßväters Zeiten noch der Brunnen vor.
Die Brunnenwasserversorgung war jedoch zu unvorteilhaft. Oft lag ein solches Wasserreservoir mehr als 100 Meter von einem Haus entfernt. Man bedenke, wie mühevoll die Wasserbeschaffung für die Bewohner war. Auch kam es nicht selten vor, dass tote Katzen und Ratten im Brunnenwasser lagen und es für lange Zeit ungenießbar machten: so mussten diese Brunnen für eine längere Zeit gesperrt werden bis das Wasser wieder genießbar war.
Dass diese Zustände die Bewohner der Cottenburger Schlucht und der Oberspredey verbitterten, ist sehr wohl zu verstehen. Seit mehreren Jahren bemühten sie sich um eine Änderung und versuchten, bei den zuständigen Stellen die Verlegung einer Wasserleitung zu erreichen. Doch alle Bemühungen waren vergeblich.
Die Ablehnung wurde mit Geldmangel begründet. Um 1955 waren noch 42 Brunnen und Pumpen zur Wasserversorgung von Haushalten in unserer Stadt in Betrieb. Bis Ende der sechziger Jahre hatte es sich noch hingezogen bis auch der letzte Haushalt einen Wasseranschluss erhielt.
Die Oberspredey Nr.43 bekam den Wasseranschluss am 25.09.1959 und den Kanalanschluss erst sechs Jahre später, am 20.07.1965.
In den Jahren des „Kalten Krieges“ wurden so genannte Notbrunnen eingerichtet. Diese sollen eine Wasserversorgung für die Einwohner der Stadt auch im Krieg oder nach einem Katastrophenfall garantieren.
Es wurden in Castrop-Rauxel 9 Notbrunnen gebohrt, die teilweise aktiv oder passiv angelegt wurden. Bei den passiven Brunnen muss zur Wasserentnahme erst eine Pumpe angeschlossen werden, um das Wasser zu fördern; die aktiven Brunnen hingegen sprudeln, sobald das Ventil geöffnet wird.
Die Notbrunnen werden regelmäßig auf ihre Funktion wie auch auf Wasserfördermenge vom THW (Technisches Hilfswerk), Ortsverein Castrop-Rauxel, überprüft. Auch die Wasserqualität muss immer wieder geprüft werden und ist so gut, dass wir nach Zugabe von Chlortabletten Trinkwasserqualität erhalten.
An dieser Stelle nun eine Aufstellung der Notbrunnen von Castrop-Rauxel:
Johannesstraße (Schule)
Cottenburgschule
Grüner Weg (Schule)
Am Hügel (Schule)
Wilhelmstraße (Schule)
Dresdener Straße (Schule)
Hallenbad
Zum Brunnen
Dornbachstraße (Feuerwehrgerätehaus)
Im Jahre 1994 gab es im Kreis Recklinghausen 4000 Einzelwasserversorgungs- anlagen, die angemeldet waren, so ein Bericht des Pressesprechers der Kreisverwaltung Recklinghausen, Jochen Manz. Diese Wasserversorgungs- anlagen stehen ausschließlich im ländlichen Bereich des Kreises Recklinghausen.
Die Trinkwasserbrunnen stehen unter der Aufsicht des Gesundheitsamtes und müssen bei der Einrichtung und danach im Abstand von drei Jahren mikrobiologisch, physikalisch und chemisch untersucht werden. Dazwischen müssen regelmäßig der Nitratgehalt und der pH-Wert festgestellt werden.
Ungezählt sind die Brauchwasserbrunnen zum Blumengießen oder Rasensprengen. Einen solchen Brunnen kann sich jeder bohren lassen, ohne Genehmigung oder Wasseruntersuchung. So werden die Brunnen auch im 21. Jahrhundert nicht aussterben.
Quellennachweis:
Stadtarchiv Castrop-Rauxel
Heimatblätter 3. Jg. Nr. 11, Nov.1924,
WR 10.11.1951, RN 18.5.1955, 25.7.1967, 21.12.1967, 24.9.1977, 18.11.1978, 19.8.1994, 30.9.2000,
WAZ 2.8.1955, 8.4.1978.
Gespräch mit Dieter Gerth von der Feuer- und Rettungswache Frebergstraße 1, vom 10.2.2009.
Autor:Rüdiger Wendt aus Castrop-Rauxel |
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