Castroper Geschichte
Vom Kienspan zur Gasbeleuchtung

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Vom Kienspan zur Gasbeleuchtung

Als in Amerika die großen Petroleumlager entdeckt wurden, als man verstand, das Petroleum zu destillieren, da begann in der Beleuchtung jene revolutionäre Umwälzung, die vom Kienspan beziehungsweise von der Kerze zur Petroleumlampe führte.

Petroleum !

Dieses Wort war eines der Schlagwörter des 19. Jahrhunderts, ist Petroleum doch der Stoff, mit dessen Verwertung sich die Geschäfte innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer weltumspannenden Ölindustrie entwickelten. Bevor in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Zugang zu großen Rohölvorkommen möglich wurde, gebrauchte man das Steinöl als Heilmittel gegen allerlei Krankheiten von Mensch und Tier.

Als in den USA seine Eigenschaften als Schmiermittel und die Nutzung des
Destillats aus Rohöl als Brennstoff für Lampen bekannt wurde, machten sich
einige Spekulanten auf die Suche nach Ölquellen.
In Titusville, einem Städtchen in Pennsylvania, gelang es Edwin L. Drake im Jahre 1859 zum ersten Mal, eine Erdölquelle in 21 Metern Tiefe anzuzapfen. 1885 überquerte dann der erste Tankdampfer von New York nach Bremerhaven den Atlantik, um den Öldurst der Europäer zu stillen.

Mit der Industrialisierung entwickelten sich in Castrop-Rauxel die Vorzüge, aber auch Probleme, des modernen Stadtlebens. Zu den Problemen zählte die Sicherheit auf den Straßen während der Nacht.

1865 hielten es die Gemeindevertreter von Castrop für erforderlich, eine Nachtwache einzurichten, die den Nachtwächter unterstützte. Da es immer häufiger zu Diebstählen und Einbrüchen kam, sollte eine Nachtwache in den Wintermonaten zu unbestimmten Zeiten durch die Straßen patrouillieren. Wer sich nachts auf den Straßen bewegte, tat gut daran, eine leuchtende Fackel mitzuführen.

Die leitungsgebundene Gasbeleuchtung war in ihrer Anfangszeit aufgrund der Kosten auf einige Städte beschränkt.
Die öffentliche Straßenbeleuchtung in Castrop begann mit einem Dutzend feststehender Laternen. Das Licht war aber so schwach, dass es lediglich Positionslämpchen waren und keine Leuchten, die die Straßen erhellten.

Während der Abteufarbeiten an den Schächten der Zeche Erin meldete sich ein Unternehmen, welches das Angebot machte, eine Gasbeleuchtung für die Gemeinde einzurichten.
Ein solches Projekt war aber zu dieser Zeit noch nicht finanzierbar. So wurde am 28.11.1868 vom Gemeinderat beschlossen, in den Wochenblättern eine Anzeige zur Beschaffung von 18 Petroleumlaternen aufzugeben.

Am 26.1.1872 verhandelte die Gemeinde mit William Mulvany über den Bau einer Gasanstalt. Nach einem Monat stand der Beschluss fest, das Gaswerk wird gebaut. Auf dem Gelände der Zeche
Erin wurde die erste Gasanstalt Castrops eingerichtet.

Ingenieur Christian Schütte übernahm am 10.9.1872 die Betriebsleitung.
Die Kosten der Gasanstalt betrugen bis zur Inbetriebnahme im März 1874 ca. 40000 Taler.
Am 22.3.1874, am Geburtstag des Kaisers wurde die erste gasbetriebene Straßenbeleuchtung in Betrieb genommen.
Das Gaswerk lag im Norden Castrops, in unmittelbarer Nähe der Zeche Erin, von der die Kohlen zur Gasherstellung bis 1877 günstig bezogen wurden. Die Stilllegung der Zeche sollte nun auch Folgen für das Gaswerk haben.
Mit dem Ende der Zeche Erin war auch das Ende der Gasanstalt bestimmt, denn ohne die günstige Kohle konnte das Gaswerk nicht mehr betrieben werden.

Im Jahr 1883 wollte Herr Grillo aus Essen die Gasanstalt ankaufen. Es handelte sich um Friedrich Grillo, den Großunternehmer in Sachen Kohle und Stahl. Mit Hilfe der Oppenheim Bank hatte er zum Preis von 3 Millionen Mark die Zeche Erin gekauft. 1884 ging die Gasanstalt in den Besitz des neuen Eigentümers. Das Gaswerk wurde vollständig umgebaut mit massivem Betriebsgebäude, 2 Gasbehältern für zusammen 1200 cbm Inhalt, 3 Gasöfen mit 13 Retorten und ca. 4600 laufende Meter Rohrnetz.
Außer den Zechenanlagen wurden auch die Gemeinde Castrop, der Stadtbahnhof und diverse kleinere Etablissements mit Beleuchtung versehen.
Der Betrieb war für die GBAG sehr lukrativ und die Gasproduktion stieg bis 1898 stetig an.

1896 =   96776 Kubikmeter Gas
1897 = 104131 Kubikmeter Gas
1898 = 132653 Kubikmeter Gas

Im Jahr 1898 waren die Produktionsanlagen dann verschlissen und konnten die Nachfrage nach Gas nicht mehr befriedigen, bis sich die Aktiengesellschaft für Gas und Elektrizität zu Köln für das Objekt interessierte und das Gaswerk erwarb. Die Koksofentechnik wurde so weiterentwickelt, dass die Möglichkeit bestand, eine ausreichende Menge Gas als Nebenprodukt von Kokereien anderweitig abzugeben. Die GBAG (Gelsenkirchener Berwerks AG) hatte auf der Zeche Erin 40 neuartige Koksöfen aufgestellt, die als Nebenprodukt Gas für die öffentliche Versorgung lieferte. So entstand zum ersten Mal auf dem europäischen Festland eine „Fern“ Gasversorgung mit Zechengas.

Da die Qualität des Gases sehr schlecht war, hat die einzige Leuchte auf dem Marktplatz ihren Dienst eingestellt. Um die Missstände zu beheben, sollte nun die Kölner Aktiengesellschaft ein neues Gaswerk bauen. Am 25.9.1899 wurde der Vertrag unterzeichnet. Am 18.6.1900 erhob Wilhelm Nasemann Einspruch gegen das Bauvorhaben, weil er einen großen Schaden für Mensch und Natur durch den Dunst der Gase sah. Am 26.4.1900 wurde die Frist zur Fertigstellung des Gaswerks auf den 1.2.1901 verlängert. Das war der Beginn der öffentlichen Beleuchtung aus dem neuen Gaswerk. Am 1.4.1902 wurde ein Versorgungsvertrag zwischen der Gemeinde Rauxel und der Kölner AG abgeschlossen, und am 30.10.1902 waren 66 neue Gaslaternen fertig gestellt. Zum 1.1.1909 ging das Gaswerk in den Besitz der WVE, Westfälische Verbands- und Elektrizitätswerke, über. Im Jahr 1911wurde die Gasproduktion eingestellt. Nun bezog die WVE von der Gewerkschaft Graf Schwerin das Gas, um es in Castrop, Rauxel, Habinghorst und Merklinde zu verteilen.

In den zwanziger Jahren befanden sich auf dem Gelände die Regleranlagen, zwei Gasbehälter von je 1000 Kubikmeter, dazu ein Wohnhaus für den
Gasmeister und einen Vorarbeiter.

Das Rohrnetz war nun schon 38 km lang und der Gasabsatz betrug um 1925 99000 Kubikmeter. Ab 1930 bekam das Gaswerk über eine Fernleitung Kokereigas von der Zeche Lothringen in Bochum- Gerthe.
Bomben zerstörten am 7.3.1945 die beiden Gasometer und die Betriebsanlagen des Gaswerks vollständig, so dass die Gasversorgung in Castrop-Rauxel unterbrochen war.

Um die Gasversorgung wieder herzustellen, mussten ca. 2000 Meter Rohrleitung neu verlegt werden. Im Juni 1945 waren schon wieder Teile des Stadtgebietes mit Gas versorgt, und im Dezember 1947 beantragte die VEW eine Stichleitung vom Ruhrgasnetz zur Gaswerkstraße in Castrop-Rauxel. In Eigenregie baute die VEW 1948 eine Hochdruckleitung. Als dann die Anlagen nach und nach repariert wurden, stieg der Energiebedarf so stark, dass das Gas knapp wurde. So verfügten die Alliierten eine Rationierung von Gas. Diese hatte mehrere Jahre Bestand. Im Jahre 1952 wurde die veraltete Station „Depot - Castrop-Rauxel“ stillgelegt. Da die Anlage nicht erweiterungsfähig war und auch nicht die Sicherheitsstandards erfüllte, kam die neue Station ins Straßenbahndepot der Dortmunder Stadtwerke.

Ab Mitte der sechziger Jahre wurden die Gasleuchten schrittweise abgerüstet und durch elektrische Beleuchtung ersetzt. 1964 war der Bestand noch 682 Stück und im Jahr 1974 waren es nur noch 240 Gaslaternen. Am 1.10.1982 wurde die letzte Gaslaterne ersetzt und durch eine „ elektrische“ Laterne ausgetauscht.

Quellennachweis:
Beilage zur Castroper Zeitung vom 10.6.1923, 13.6.1923,14.6.1923,17.6.1923,18.6.1923,20.6.1923,4.8.1923.
Heimatblätter 3. Jg. 1924, „Die Elektrizitätsversorgung von Castrop-Rauxel“(Dr. Georg Rothe).
„Energie für Castrop-Rauxel“(VEW Energie AG).

Autor:

Rüdiger Wendt aus Castrop-Rauxel

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