Der Reiz der Verwandlung: Ein Blick hinter die Kulissen der WLT-Maskenabteilung
Es ist eine äußerliche, aber sehr viel stärker noch eine innere Verwandlung, die sich mit dem Schauspieler in der Maske vollzieht. In der kurzen Zeit vor einer Vorstellung wird der Mensch zur Bühnenfigur, findet er durch die optische Veränderung in seine Rolle hinein. „Da ist sehr viel Feingefühl und Sensibilität gefragt“, weiß Susann Reinhold, Chefmaskenbildnerin am Westfälischen Landestheater. Mit dem Stadtanzeiger sprach sie über die Faszination und die Herausforderungen ihres Berufs.
Es ist kurz nach 10 Uhr am Vormittag. Im WLT-Studio wird in einer knappen Stunde die Wiederaufführung von Marieluise Fleißers Drama „Fegefeuer in Ingolstadt“ zu sehen sein – eine Produktion, die den Schauspielern viel abverlangt. In der Maske herrscht eine angespannte Stille.
„Das ist aber nicht immer so“, erklärt Susann Reinhold. Vielmehr hänge die „Stimmung“ zum einen von der Art der Produktion, zum anderen aber auch von dem jeweiligen Schauspieler ab, der in der Maske sitze. „Vor einer Premiere ist man immer nervös und angespannt. Das legt sich aber mit der Zeit.“ Dann wiederum gebe es Schauspieler, die die Ruhe vor ihrem Auftritt brauchen, und andere, die sich gerne unterhalten und sich ablenken lassen. „Man lernt, sich auf die verschiedenen Bedürfnisse einzustellen“, so die 35-Jährige.
Reinholds eigentliche Arbeit als Maskenbildnerin beginnt bis zu drei Monate vor einer Premiere – mit der sogenannten Bau-Probe. Bühnen- und Kostümbildner haben zu diesem Zeitpunkt bereits erste Konzepte entwickelt und tragen ihre Ideen der Maske vor. Dann gilt es, kreativ zu werden, Ideen zu entwickeln, Perücken und Bärte zu knüpfen – und ganz nebenbei noch eine Fülle von Tätigkeiten zu erledigen, die durch die regelmäßigen Vorstellungen aus dem Repertoire des Theaters anfallen.
An ihrem Beruf liebt die Maskenbildnerin, die seit 2005 am WLT beschäftigt ist, vor allem „den Reiz der Verwandlung, den Schauspieler äußerlich zu verändern“ und die Überraschung, die sich oft einstelle, wenn man den verwandelten Menschen dann vor sich sehe. „Die großen Veränderungen sind dabei meist gar nicht so schwierig“, verrät sie. „Eine wirkliche Herausforderung sind die kleinen, naturalistischen Dinge, wenn man zum Beispiel eine Figur auf möglichst natürliche Weise dicker erscheinen lassen möchte oder man einen Schauspieler altern lässt.“
Und auch die aktuelle Produktion „Erbarmen“, nach dem Roman von Jussi Adler-Olsen, habe es in sich. Eine Figur trägt einen Bart, der sich im Verlauf der Handlung verändern wird. „Man kann nun ein Modell entwickeln, das verschiedene Möglichkeiten bietet“, erklärt Reinhold. Dieses lasse sich dann nach Belieben variieren und aus dem Vollbart werde – durch Entfernen des Mittelstücks – ein Backenbart. Eine andere Option wäre, gleich mehrere Bärte zu knüpfen und sie im Verlauf der Aufführung zu tauschen – mit Sicherheit einfacher, aber auch zeitintensiver.
Und was passiert, wenn ein solcher Bart während der Vorstellung plötzlich locker wird oder abfällt? „Wenn der Schauspieler merkt, dass etwas locker wird, muss man sofort hinter der Bühne parat stehen“, lacht Reinhold. Solche Pannen seien allerdings selten geworden, da sich die technischen Möglichkeiten verbessert hätten. Wenn es dann doch mal passiere, „ist das natürlich für den Schauspieler am schlimmsten, der irgendwie improvisieren muss. Später lacht man darüber, aber in dem Moment, wo es passiert, ist es schlimm.“
Autor:Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel |
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