Auf den Spuren des Nationalsozialismus: Tag 3

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Am dritten Tag unserer Studienfahrt besuchten wir das Außenlager Auschwitz Birkenau, was sich für uns nach unerwartet emotionaler als am Vortag gestaltete.

Das Erste was wir noch vor dem Betreten des Lagers sahen waren die Schienen, auf denen die Häftlinge in den Zügen transportiert wurden. Von den Schienen aus sahen wir das für uns, bislang nur aus Geschichtsbüchern bekannte, Torhaus. Dort begann auch unsere Führung durch Auschwitz - Birkenau.

Gemeinsam gingen wir auf den Turm und waren erschrocken, welche Ausmaße das Konzentrationslager Birkenau hat. Dies wurde verstärkt durch den Nebel, denn es war uns nicht möglich bis zum Ende des Zauns schauen. Von dort oben hatte man dennoch einen guten Blick auf die Rampe, an der sich die meisten Besucher befanden. Wir sahen ein sehr systematisch und strukturiert aufgebautes Gelände, was die strikte Organisation und Planung der Tötungsmaschinerie unterstreicht.

Es gibt unterschiedliche Abteilungen in Birkenau: beispielsweise das Frauenlager, das Männerlager und das Familienlager. Die Baracken waren entweder aus Holz oder Stein gebaut und für 400 bis 600 Häftlinge ausgelegt, oftmals wurden jedoch bis zu 1000 Häftlinge in diese Baracken hineingezwängt. Die Sanitäranlegen befanden sich in extra Baracken. Diese Baracken waren für die Häftlinge nicht durchgehend zugänglich. Außerdem brachen dort aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen viele Seuchen aus. Jeder Teil des Lagers verfügte über eine eigene Küche, wo das wenige, „abgezählte“ Essen, das die Insassen bekamen, zubereitet wurde. Im Nord-Westteil des Geländes befanden sich die Räumlichkeiten, in denen die Neuankömmlinge registriert wurden. Dor wurde jeder Neuankömmling gewaschen, desinfiziert und entpersonalisiert. Dies geschah durch Kahlscherung, Tätowierungen, also Zuordnung einer Häftlingsnummer, genauso wie der Abnahme persönlichen Gegenstände.

In manchen der Baracken wurden ausschließlich Kinder untergebracht, wobei nur noch eine davon für Besucher zu besichtigen ist. Sie lebten abgeschottet von ihren Familien, mit der Ungewissheit, ob ihre Eltern noch leben würden. An Sonn- und Feiertagen hatten Mütter die Erlaubnis ihre Kinder zu besuchen. In diesen Baracken hausten nur Kinder unter 14 Jahren, da Kinder über 14 Jahre als arbeitstauglich galten und somit wie Erwachsene behandelt wurden.

Ebenfalls im Nord-Westteil standen die Krematorien vier und fünf. Eines der beiden wurde durch einen internen Judenaufstand zerstört. Das andere haben die SS-Männer selbst in die Luft gesprengt, kurz vor der Befreiung der Roten Armee. Das gleiche geschah mit den Krematorien eins und zwei. Dessen Überreste könne heute noch betrachtet werden.
Auf der angrenzenden großen Wiese wurden die Leichen der Ermordeten zunächst vergraben, bevor sie später auf einem Scheiterhaufen unter freiem Himmel verbrannt wurden. Diese Wiese ist mit 100.000 Leichen der größte Friedhof der Welt. Für sie gibt es keine Grabsteine.

Es ist ein unglaublich merkwürdiges Gefühl, an dem Ort zu sein, an dem Menschen solch Gräueltaten erfuhren. Allein die Vorstellung, das vor ca. 70 Jahren von ihnen dieselben Treppen benutzt wurden oder sie genau an der Stelle auf schreckliche und unmenschliche Art und Weise leben mussten oder ermordet wurden. Des weiteren wird einem bewusst, dass wir doch ein gutes Leben haben, sodass man persönliches Glück, auch schon Kleines, für uns bislang Selbstverständliches, eher zu schätzen weiß.

Nach dieser Führung nahmen wir an einem Workshop teil. Dort bestand unsere Aufgabe darin, Informationen über die bekanntesten Ärzte von Auschwitz, zusammenzutragen.
Einer dieser Ärzte war Dr. Josef Mengele. Geboren wurde er am 18.03.1911, mit ca. 20 Jahren studierte er Medizin und Anthropologie. Sein Beruf übte er nicht sofort aus, sondern meldete sich als Truppenarzt zur Waffen-SS. Im März 1943 begann er die Arbeit im Konzentrationslager in Auschwitz. In Baracke 10 vollzog er seine Versuche an Schwangeren, Leichen, gesunden Menschen, Sinti und Roma. In erster Linie beschäftigte er sich jedoch mit Zwillingen und Kleinwüchsigen. Zudem überwachte er mit den SS-Männern die Vergasung und Selektionen. Ebenso untersuchte er die Häftlinge, die bereits tot waren. Er unternahm Transplantationen von Knochenmark und weiteren Organen oder Körperteilen. Dr. Mengele war bereit und federführend verantwortlich dafür, unmenschliche Experimenten durchzuführen.

Dr. Mengele war nicht der einzige Arzt vor Ort, es gab in etwa 160 weitere Ärzte. Zwei der Ärzte, beschäftigten sich mit der Zwangsterilisation bei Juden. Diese sollten sich nach der Ideologie der Nationalsozialisten nicht weiter fortpflanzen. Alleine für diese Forschungen mussten ca. 4000 Frauen und Männer sterben. Weitere Gefangene starben bei dem Unternehmen, Mangelerscheinungen untersuchen zu können. Sie mussten dafür verhungern.

Wir fanden diese Informationen erschreckend, da wir nur Ärzte kennen, die uns helfen und nicht den Tod wünschen. Die große Frage, die wir uns durchgängig stellten und noch stellen, lautet: „Warum?“

Autor:

Matthias Hoffmann aus Castrop-Rauxel

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