Als man Musik noch sehen und anfassen konnte
Gelegentlich muss man sich nochmal in Erinnerung rufen, dass es vor der digitalen Welt auch noch eine analoge Ära gab. Bei mir war das heute der Fall, als die Moderatoren im WDR-Radio die Frage an die Hörer stellten: „In welche Technik haben sie sich verliebt?“
Hhmm, in Technik verlieben? Ich bin ja selber Techniker und sehe solche Dinge eher rational. Gibt es nicht viele andere Dinge als ausgerechnet Technik, die man lieben sollte? Nach einiger Zeit des Nachdenkens fiel mir aber ein, dass mein guter alter Plattenspieler aus den 70ern ein Stück Technik war, das mir viel bedeutete. Ich musste damals neben Schule und Studium ziemlich viel nebenbei Arbeiten, um mir so etwas überhaupt leisten zu können. Dieses schöne Teil und meine damals stetig wachsende Sammlung von Schallplatten wuchsen mir dann aber auch sehr ans Herz. In einer Zeit vor dem Privatfernsehen und weit vor dem Internet war Musikhören eine Freizeitbeschäftigung, die sowohl allein als auch in Gesellschaft sicher einen höheren Stellenwert hatte als heute.
Musik wird heute „aufgerufen“, sei es als MP3 von der Festplatte oder im Download vom Streaming-Dienst. Zur Zeit der Schallplatte ging es eher darum, die Musik zu „zelebrieren“. Das begann schon damit, dass man das Cover einer Langspielplatte in die Hand nahm. Auf dieser Fläche von 30cm x 30cm befanden sich üblicherweise kreative und teilweise aufwändig gestaltete Bilder, die es lohnten betrachtet zu werden. Na ja, fast immer. Anerkanntes Negativbeispiel ist die erste Grönemeyer-LP von 1979. Das vorsichtige Herausnehmen der Schallplatte, das Auflegen auf den Plattenteller, das vorsichtige Staubwischen auf der Platte, das Positionieren des Tonarmes über der Platte und schlussendlich das Absenken des Tonarmes glichen schon fast einem Ritual. Da so eine Schallplatte eine ziemlich endliche Spieldauer hatte, wurde dieses Ritual auch mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt, bei den „45ern“ im Abstand weniger Minuten. Ach so ja, die 45er . . . das waren damals unsere „Singles“. Heute versteht man darunter was Anderes.
Die Musik, die dann vom Plattenspieler kam und über Verstärker und Boxen unsere Ohren erreichte, hatte auch so ihre Eigenarten. Was gab es nicht alles an Tricks und Vorrichtungen, um das vom Staub verursachte Knistern, Knacken und Rauschen zu verhindern oder zumindest zu reduzieren! Ich habe mich damals bemüht, meine Platten möglichst staubfrei zu halten und gelegentlich trocken abzuwischen. Auch bei aller Sorgfalt schlich sich aber auch immer der eine oder andere Kratzer in die Oberfläche ein, der dann auch sehr prägnant hörbar wurde. Ich glaube, ich kann heute noch bei vielen meiner Platten die Stellen, an denen die Knackgeräusche auftraten vorhersagen :-)
Vor einigen Jahren habe ich dann meine Plattensammlung digitalisiert und auf Festplatte abgespeichert. Dabei leistete mir mein guter alter Dual-Plattenspieler aus den 70ern immer noch zuverlässige Dienste. Obwohl es ausreichend Software gibt, um die alten Störgeräusche, die den Schallplatten anhaften, zu eliminieren, habe ich darauf verzichtet. Schließlich hatte ich in den ganzen analogen Jahren „meine“ Knister- und Knackgeräusche lieb gewonnen!
Ist der Plattenspieler nun eine Technik, in die ich mich verliebt habe? Diese Frage kann ich mit einem eindeutigen JA beantworten!! Auch wenn er inzwischen ungenutzt in einer Ecke steht, so ist er doch ein Stück Technik, mit dem ich mich ein gutes Stück meines Lebens gerne beschäftigt habe.
Wie die Meisten hier wissen beschäftige ich mich jetzt seit einigen Jahren mit der Fotografie. Dabei gilt aber meine Leidenschaft eher der Fotografie selber oder der Natur, die ich überwiegend fotografiere, nicht aber der Kamera, die eigentlich nur ein Werkzeug ist. Vielleicht ist es ein Fluch der immer mehr technisierten und digitalisierten Welt, dass man die Technik selber gar nicht mehr so schätzt. Na ja, immerhin konnte ich die Fotografie nutzen, um vom Plattenspieler und einigen Schallplatten ein paar Eindrücke abzulichten, die ich hier anhänge. Sozusagen Musik zum Anschauen :-).
Viel Spaß beim Durchblättern.
Autor:Armin von Preetzmann aus Castrop-Rauxel |
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