Signale oder Kommandos- macht das wirklich einen Unterschied?
„Der kann ja gar nichts!“
Mit „Der“ ist unser Hund gemeint, Tricky, achtjähriger Husky-Schäfermixrüde. Die Aussage kommt von Einem, der es wissen muss, meinem, an und für sich, liebenswerten Mann. Dieses vernichtende Urteil, traf mich an einem unendlich heißen Abend direkt am Anfang unseres Urlaubs 2012, in Ungarn, im Kreise der mitgereisten Freunde. Mein Leben in einem Männerhaushalt, hat mich, neben einer genetisch bedingten, gewissen sprachlichen Spontanität, perfekt für solche Situationen trainiert. Ich retournierte, wild gestikulierend auf mein Haupthaar deutend und debil lächelnd: „Was erwartest du? Er ist ein Blondinenhund!“ Seine Antwort, „Ach ja! …Ich vergaß…“ mit perfekt getimten Kunstpausen, begleitet von einem seiner unnachahmlichen, todernsten, lakonischen Blicke, löste die Situation in allgemeinem Gelächter auf.
Trotzdem saß der Satz, der natürlich auch ein offensichtlicher Vorwurf an die Trainerin für Menschen mit Hund in mir war. Die unfrohe Botschaft beschäftigte mich die gesamte folgende Nacht. Ich reflektierte meine Trainingseinheiten und offenbar völlig verfehlten Ziele mit meinem Hund. Dass ich oftmals auf Unverständnis treffe, wenn ich eine seiner Baustellen, eine Leinenaggression, mit Bogen laufen, Zeigen und Benennen, Entspannungssignal und Markern plus Belohnen arbeite, daran habe ich mich zwangsläufig gewöhnt. Mir ist irgendwann einmal aufgegangen, dass Niemand dort draußen unsere Agenda kennt und daher auch nicht beurteilen kann, wie sehr sich unsere Begegnungen mit Artgenossen im Laufe der Jahre verändert haben. Vor diesem Hintergrund, bin ich auch nicht mehr persönlich betroffen, wenn ein Fremder unsere Situation missversteht oder gar missbilligend kommentiert. Wahrscheinlich hätte ich auch vor zehn Jahren nicht schlecht gestaunt, wenn Jemand in eine erkennbare Aggression gemarkert und belohnt hätte. Woher sollte z.B.: ein fremder Mensch auch nur ahnen, wie viel Kooperationsbereitschaft und Impulskontrolle es für Tricky bedeutet, ihn von vorne kommend passieren zu lassen, während er sitzt?
Diesen Satz, „Der kann ja gar nichts!“, nun aber familienintern vor die Füße geworfen zu bekommen, traf mich doch. Dabei ging es nicht nur um dieses merkwürdige „Mamading“, das bedeutet dass niemand meine Kinder, ob mit oder ohne Fell, diskreditieren darf, ohne dass mir messerscharfe 50 cm lange Nosferatukrallen und Eckzähne wachsen. Es war einfach mehr als frustrierend, dass dies, die unumstößliche Quintessenz nach all den Jahren des Trainings sein sollte.
In diesem Urlaub geschah etwas wunderbares, weil mein Mann und ich, nach mehr als zwölf Jahren, erstmals wieder tagtäglich gemeinsam, einsam mit unserem Hund spazieren gingen. Unser Teeniesohn wollte weder mit uns gehen, noch musste „Einer“ bei ihm bleiben. Er entließ uns, sang- und klanglos, aus der 24- Stunden Dauerbegluckung und schenkte uns ein Stück Selbstbestimmung zurück.
Die klare und einzige Regel bei unseren gemeinsamen Spaziergängen mit Hund lautet, “Wer die Leine trägt, hält, verliert, was auch immer, trägt die Verantwortung für das Fellkind, der Andere sich raus“.
Die ersten Tage ergab es sich, dass mein Süßer sowohl Leine, als auch Verantwortung sein eigen nannte. Irgendwann hatte ich aber meine Leine dabei. Meine Leine? Deine Leine? Ja, ich liebe meine schmale, weiche, uralte Lederleine, während die geflochtene Leine meines Mannes für meine kleinen Hände eine unangenehme Haptik hat.
Wir gingen eine Weile und ich fragte meinen Hund:“ Tricky abschnallen?“ Tricky setzte sich, bekam Marker und Belohnung und wurde abgeleint. Mein Hund hat eine ziemlich hohe Jagdmotivation und bewegt sich sehr schnell über große Distanzen von uns weg. Als er etwa zweihundert Meter weg war, rief ich, „Wartest du bitte?“. Bei diesem Signal, bleibt er etwa auf der Höhe, wo er es vernommen hat, darf aber gerne weiter rechts und links schnüffeln, bzw. tun was er dort Wichtiges vor hat. Tricky „wartet“ an dieser Stelle bis er ein neues Signal bekommt, meistens ist es ein „Weiter“ oder ein „Ok“ als Aufhebesignal für Alles. Bei „Ok“ darf mein Hund machen, was er möchte, er hat Freizeit. Da wir uns in unbekanntem Gelände fort bewegten, musste ich sehr auf Tricky und seine Körpersprache achten. Als Umorientierungssignal benutze ich „Ich sehe dich auch mein Schatz“. Das hat sich einfach so ergeben, weil er sich anfangs niemalsnicht zu mir orientieren konnte und ich jedes Ohrzucken in meine Richtung, frenetisch abgefeiert habe über eben jenen Satz. Es war bestimmt keine Absicht ein Signal zu formen, was epische Längen besitzt, aber als er eines Tages zuverlässig immer abdrehte, bei diesem Satz, ist es eben dabei geblieben. Mein Mann, schwieg während des zurückliegenden Spaziergangs beharrlich, er zeigte zwar zunehmend touretteartiges Augenbrauen runzeln, Kopf schütteln, aber selbst mein „mach erst Kacka, dann spielen wir…“ , ignorierte er verbal. Bei : „IchsehedichauchmeinSchatz“ plus anschließenden Anker, ein „WackaWackaWacka…“ als Dauerschleife, langsam beginnend und sich euphorisch steigernd, die Bewegung meines Hundes auf mich zu verstärkend begleitend und in einem BINGO! (Marker) plus etwas fliegt als Belohnung durch die Luft endend, konnte er jedoch nicht mehr an sich halten. „Ihr habt doch nicht alle Latten am Zaun!“ Ich schaute ihn erstaunt an und blickte in ein vorwurfsvolles Gesicht voller Fragezeichen. Wir hatten wohl Redebedarf, daher fragte ich Tricky „Anschnallen?“. Bei dieser Frage bleibt mein Hund im Allgemeinen dort stehen, wo er ist und wartet darauf angeleint zu werden.
Was folgte, war ein konsterniertes, fast beleidigtes „Der kann ja doch was?!“. Ja klar, aber wo war sein Problem? Mein Mann hatte sich wohl darauf verlassen, dass ich als zuständige „Hundetheradingsdawasauchimmer“ unserem Hund ein allgemein gültiges Vokabular von bekannten Signalen beibringe. Bedauerlicherweise habe ich dies weder gewusst, noch getan, noch jemals geplant.
Die Frage, die sich ihm stellte, war dennoch naheliegend. Wie und warum eine so personalisierte Geheimsprache zwischen meinem Hund und mir zu Stande kam, ist leicht zu erklären. Sprache und ihre Anwendung ist ein mächtiges Schwert. Verletzende Sprachauswüchse, Worte, die ein bestimmtes Gefühl des Unbehagens transportieren, Sätze, die Stakkato ähnlich, zischend bzw. laut gebrüllt hervor gewürgt, haben mich schon immer abgestoßen. Das heißt nicht, dass ich niemals verletzend werde oder jedes Wörtlein mit Spitze umklöppel, eher im Gegenteil. Natürlich kann ich sehr gemein und zynisch sein und gerade aus diesem Grund weiß ich, wie zerstörend Sprache zu sein vermag. Es wird ein unendliches Gewaltpotential, gleichermaßen über Gedankenlosigkeit als über die Art bzw. Anwendung von Sprache transportiert. Etwas, auf dass ich in der Beziehung zu meinen mir Anvertrauten und sich mir Anvertrauenden gerne verzichten kann und möchte. Sprache kann eindeutig emotional gefärbt oder mit einem bestimmten Kontext verbunden sein. So wie das Wort „Kommando“, das im lateinischen Wortstamm von „commendare“ erst einmal nur mit anvertrauen, übergeben, anpreisen, empfehlen, zu übersetzen ist. In unserem Sprachgebrauch ist der Begriff „Kommando“ aber eindeutig militärisch geprägt und der Bedeutung nach, mit militärischer Befehl oder militärischer Befehlsgewalt gleich zu setzen. Befehle/ Kommandos implizieren einen absoluten Gehorsam und eine unbedingte Bringschuld. Sie bewegen sich in einer absolutistischen Einbahnstraßenphilosophie, die Mitdenken, gegenseitigen Respekt oder Empathie für sich ausschließt und glaubt darauf verzichten zu können.
Ich erteile meinem Hund keine Befehle, ich versuche mittels beider Seiten vereinbarter bzw. bekannter Signale, mal Sender mal Empfänger zu sein. Ich liebe es Signale zu benutzen, die mein Hund sich selbst ausgesucht hat oder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn man sie nennt. Es kostet mich Mühe und Sensitivität, die Signale meines Hundes, die oft nur in homöopathischen Dosen wahrzunehmen sind, zu erkennen und einzuordnen, um dann hoffentlich adäquat darauf zu reagieren. Wie viel mehr Anstrengung kostet diese Art der außerartlichen Kommunikation da wohl meinen Hund? Nicht, weil er weniger intelligent, weniger Krone der Schöpfung ist als ich- eher im Gegenteil. Er spricht seine eigene Muttersprache und hat so nebenbei gelernt große Teile meiner auf Lauten begründeten Sprache, meine ungenaue, schwammige, seiner eigenen oft konträr laufenden, Gestik und Mimik zu erkennen.
Das Bemühen um einen beidseitigen freundlichen Austausch von Informationen in einer Beziehung, ist jede Mühe wert. Manchmal, wenn alles richtig gut läuft, dann bin ich, ohne absolutistisch zu sein, zumindest für einen kurzen Moment, die Sonnenkönigin für meinen Hund. Es sind diese Momente, in denen wir einfach nur eins sind, im Hier und Jetzt, obwohl oder gerade wegen unserer respektierten Andersartigkeit.
Autor:Heike Hillebrand aus Bönen |
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