Ein Bild - Eine Geschichte
So nah und doch so fern
Verzweifelt rüttelte Cristan an den Gitterstäben vor dem kleinen Fenster, doch sie gaben kein Stück nach. Er konnte die kleine, umzäunte Plattform sehen und die schmale Gestalt, die zusammengekauert auf ihr lag, dem eiskalten Wind hilflos ausgeliefert. Ketten waren an Bridas Händen und Füßen befestigt, so dass sie nicht einmal mehr durch einen Sprung in die Tiefe ihrem Schicksal entfliehen konnte. „Brida!“ Cristan presste das Gesicht gegen die Gitterstäbe. „Brida!“
Die Wache schlug mit dem Schwert gegen die Tür seiner Zelle. „Ruhe da drinnen. Sonst komme ich rein!“
Cristan wagte es nicht, noch einmal zu rufen. Was passierte, wen die Wache in seine Zelle kam und ihn zum Schweigen brachte, hatte er bereits erlebt. Seine Rippen schmerzten immer noch von den Tritten. Doch Brida hatte ihn gehört und richtete sich langsam auf, soweit die Ketten es zuließen. Unter Schmerzen lächelte sie ihm zu. Sie war so viel stärker als er. Schon nach einigen Schlägen hatte er die Gegenwehr aufgegeben, doch so wie Brida aussah, hatte sie nichts preisgegeben. Doch würde sie ertragen können, was ihr nun bevorstand? Durch die Fesseln konnte sie sich kaum bewegen und von seiner Zelle aus konnte Cristan die blutenden Schnittwunden an ihren Beinen sehen. Er hörte in der Ferne leises Krächzen, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Es kam rasch näher. Er hätte nie gedacht, dass die Kordondari wirklich diese Methode einsetzten, um Gefangene zum Reden zu bringen. Er hatte es für einen Mythos gehalten. Zwei Wachen waren auf die Plattform gestiegen und redeten auf Brida ein, doch sie schüttelte nur den Kopf. Cristan konnte Flügelschlagen hören und dann sah er den Schwarm Petolintus, die von dem Blutgeruch angelockt wurden. Er hockte sich unter das Fenster und steckte sich die Finger in die Ohren, um Bridas Schreie nicht zu hören.
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Autor:Sabine Kalkowski aus Bergkamen | |
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