Ein Bild - Eine Geschichte
Schneeprinz
Corinne hob die Hände und dreht sich jauchzend um die eigene Achse. Sie reckte ihr Gesicht dem Himmel entgegen und die Schneeflocken schmolzen auf ihren Wangen. Das war der erste Schnee seit zwei Jahren. Immer dichter wirbelten die Flocken und bedeckten die Bäume und den Weg mit einer flauschigen Decke. Es war ganz still. Sie hörte nur ihr eigenes aufgeregtes Atmen. Es war so wundervoll.
Ein Knacken ließ sie zusammenzucken. Sie sah sich um, starrte in das Schneetreiben, ob noch andere Spaziergänger in der Nähe waren, doch niemand war zu sehen. Wieder knackte es und auf einmal empfand Corinne die Stille als unheimlich. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie beschleunigte ihre Schritte. Sie wollte hier weg, schnell nach Hause.
Die Flocken wirbelten immer dichter und schienen sich auf einen Punkt auf dem Weg vor ihr zu konzentrieren. Langsam verdichteten sie sich zu einer Gestalt. Ein Kopf, Arme und Beine. Ein Mann trat aus dem Flockengewirr heraus. Seine Augen brannten schwarz in seinen schneeweißen Gesichtszügen. Hinter ihm formte sich ein Tor, dann wuchsen Mauern und ein Schloss entstand vor ihren Augen. Ihr Verstand schrie ihr zu, dass sie verschwinden sollte, doch ihr Körper war wie gelähmt. Sein Blick hielt sie gefangen. Sie starrte den Mann aus Schnee an. Langsam kam er näher und lächelte. Wärme durchströmte sie. Ein nie zuvor gekanntes Glücksgefühl löschte die Warnungen ihres Verstandes aus. Er reichte ihr seine Hand. „Komm mit mir!“
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand in die seine. Sie spürte die Kälte nicht, bemerkte nicht, wie ihre Hand gefror und zu Eis wurde. Sie ließ sich von ihm in sein Reich führen. Das Tor fiel hinter ihnen zu und das Schloss löste sich in einem Schneewirbel auf.
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Autor:Sabine Kalkowski aus Bergkamen | |
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