Ein Bild - Eine Geschichte
Lustiges Rittervolk

„Von allen Seiten eingeschlossen kämpften sie bis zum letzten Mann!“
Editha hielt den Atem an. Sie konnte das Kampfgetümmel hören. Das Klirren der Schwerter, wenn sie aufeinandertrafen. Das Rasseln der Rüstungen, das Schnaufen der Pferde und Kämpfer und das Stöhnen der Verwundeten. Sie konnte ihn auch riechen, den Geruch von Kampf und Tod. Die metallische Note von Blut und feuchtem Metall, vermischt mit dem Gestank nach Exkrementen, ungewaschenen Körpern, Schweiß und aufgewühlter feuchter Erde. Sie war mittendrin im Geschehen und merkte kaum, dass die Sonne bereits sank, unter das Dach des Pavillons schien und ihr den Nacken verbrannte. Der Hofzauberer Saburo hob theatralisch die Arme. Alle Blicke lagen gebannt auf ihm. Neben Editha saßen noch einige Gäste ihres Vaters in den weichen Sesseln und einige Kinder der Bediensteten hatten sich am Rand des Pavillons auf dem Boden niedergelassen.
„Doch auch als sie fielen, hörten sie nicht auf, für ihren König zu kämpfen. Bis über ihren Tod hinaus waren sie ihm treu ergeben. Als Geister, Geschöpfe der Nacht, erhoben sie sich und beendeten die Schlacht siegreich!“
Stille senkte sich über den Garten, sogar die Vögel schwiegen für einen Moment, bis Saburo in die Hände klatschte und seine Zuhörer aus ihrer Trance riss. Editha applaudierte, die anderen stimmten ein und Saburo verneigte sich lächelnd.
„Editha!“
Editha zuckte zusammen. Das war ihre Zofe. Sie bemerkte den niedrigen Sonnenstand. Es war Zeit, sich für das Abendmahl fertig zu machen. Wenn Gäste auf Schloss Adelaide waren, wurde im großen Saal gespeist und das erforderte entsprechende Kleidung. Seufzend stand sie auf, warf Saburo eine Kusshand zu, die dieser schmunzelnd auffing und erwiderte, dann spazierte sie gelassen zum Seiteneingang in dem Tiara stand und auf sie wartete.
„Ich hole noch frische Unterwäsche für Euch aus der Waschstube, dann bin ich bei Euch.“
Editha nickte und stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hoch. Ihr blieb noch etwas Zeit, bis Tiara kam, um sie für das Abendessen anzukleiden. Zeit, um von edlen Rittern zu träumen, die weder Schmerz noch Tod fürchteten. Sie seufzte und lächelte in sich hinein. Ihr Vater war auf der Suche nach einem Ehemann für sie. Sie hoffte, dass er ihr einen ebenso edlen und starken Ritter aussuchen würde. Sie blieb vor ihrer Zimmertür stehen und lehnte sich kurz dagegen. Wie gerne hätte sie einen der Ritter der königlichen Garde kennengelernt. Sie waren hier auf Schloss Adelaide stationiert gewesen, bis die Garde in jener Schlacht ausgelöscht wurde. Einige ihrer Vorfahren hatten dem König treu ergeben gedient. Sie war sehr stolz darauf.
Sie drückte die Klinke hinunter, betrat das Zimmer und stutzte. Die Vorhänge waren zugezogen. Wie merkwürdig. Vielleicht hatte Tiara dies wieder getan. Die Sonne heizte die Zimmer im Sommer kräftig auf. Allerdings machte Editha dies nichts aus, sie mochte die Wärme. Sie hatte Tiara schon oft gesagt, dass die Vorhänge offenbleiben sollen. Sie wollte sie gerade zurückziehen, als sie im Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Sie schaute genauer in. Etwas saß in ihrem Sessel. Ihr klappte die Kinnlade herunter. Ein durchscheinender Ritter in voller Rüstung hatte sich in ihren Sessel gefläzt, ein Bein hing über der Lehne, in einer Hand hielt er einen Becher, den er ihr nun entgegenstreckt.
„Wurde ja endlich Zeit, dass du kommst, du faules Luder. Wo ist der Wein?“ Der Ritter wurde etwas sichtbarer, klappte sein Visier hoch und betrachtete sie mit einem unverhohlen lüsternen Blick.
„Ich muss doch sehr bitten!“ Edithas Überraschung wich Empörung. Das war doch nicht etwa einer dieser edlen Ritter aus den Geschichten? Das konnte nicht sein! So ein Rüpel konnte unmöglich Mitglied der königlichen Garde gewesen sein oder gar ihr Vorfahre. Der Ritter erhob sich, seine Rüstung klapperte widerhallend. Er trank seinen Becher leer, rülpste laut und Editha verzog angewidert das Gesicht, als sie den Weindunst roch. Der Ritter steckte den Finger unter den Harnisch und kratzte sich im Schritt, bevor er steifbeinig auf Editha zustakste, die immer noch ungläubig und erstarrt dastand.
„Du bist schon ein hübsches Ding.“ Er packte ihr an den Hintern. Sie konnte die Kälte seiner Geisterhand dort spüren und schrie auf. „Los, Rock hoch, lass uns ein wenig Spaß haben!“ Er lachte und Editha spürte die Kälte nun an ihren Beinen.
Sie drehte sich um, versuchte, ihn wegzustoßen, doch ihre Hände glitten durch ihn hindurch.
„Hui, du bist ein richtiger Wildfang, was?“
Editha stolperte einige Schritte zurück. „Lass mich los du widerlicher, stinkender Trunkenbold! Verschwinde, du besoffenes Stück Dreck und lass dich nie wieder blicken. Du bist eine Schande für die Garde und meine Familie!“ Edithas Stimme hatte sich immer mehr gesteigert und die letzten Worte hatte sie aus voller Lunge geschrien.
Der Ritter brummelte etwas von widerspenstigen Weibern, die keinen Spaß verstanden und verblasste.
Die Tür öffnete sich und Tiara kam mit einem Arm voller Wäsche herein und sah sich verwundert um. „Alles in Ordnung, Lady Editha?“
Editha sammelte sich, strich sich ihr Kleid glatt und wollte schon nicken, als sie ein leises Rülpsen hörte.
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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