Ein Bild - Eine Geschichte
Geweihter Boden

Eingeschüchtert starrte Eliana die Fassade hinauf. Sie fühlte sich winzig, erdrückt. Sie zog die Schultern zusammen, machte sich klein, griff nach der Türklinke und ließ nach kurzem Zögern die Hand sinken. Sollte sie wirklich hineingehen? Alles in ihr schrie danach, sofort umzukehren und wegzulaufen. Aber sie vertraute Pater Valentin. Er wollte ihr nur helfen oder etwa nicht?
Sie atmete schwer, stand wie erstarrt vor der Tür, hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, von ihren Träumen befreit zu werden, und der fast übermächtigen Warnung, einen Fehler zu begehen. Nur Pater Valentin hatte sie in der Beichte von ihren Träumen berichtet. Von dem Ende der Welt, die Oberfläche verbrannte in einem Feuersturm, Menschen wurden von dreiköpfigen Bestien zerfleischt und schrien in endloser Qual. Über allem thronte der Fürst der Finsternis.
Eliana zuckte zusammen, als die Tür sich öffnete.
Pater Valentin lächelte sie gütig an. „Da bist du ja, ich hatte schon befürchtet, dass du dich verspätest.“ Er schob die Tür ganz auf und bedeutete ihr einzutreten. „Komm.“
Langsam trat Eliana in das Halbdunkel, zögerte nach einigen Schritten und wandte sich um. „Pater, ich weiß nicht. Ich habe kein gutes Gefühl.“ Weitere Worte blieben ihr im Hals stecken.
Pater Valentin hatte die Tür zugezogen und schloss sie gerade ab.
Elianas Mund wurde trocken. Sie saß in der Falle. Zumindest fühlte es sich so an. „Warum schließen Sie ab, Pater?“ Ihre Stimme klang dünn und verängstigt.
Er drehte sich um. „Wir wollen doch ungestört sein, nicht wahr?“ Er nahm sie am Arm und führte sie in den Altarraum. „Habe keine Angst, meine Liebe, bald ist alles vorbei.“ Er stellte sich neben sie vor den Altar und schaute auf die bunten Fenster, durch die der Altarraum in farbiges Licht gehüllt war. Sie zeigten Jesus, umgeben von den zwölf Jüngern, die Flammen des heiligen Geistes über ihren Köpfen. „Er starb für die Menschen, um sie von ihren Sünden zu befreien, um sie zu retten.“ Pater Valentin lächelte sie an. „Es ist kaum zu ertragen, dass wir seit Jahrhunderten dieser Lüge Glauben schenken.“
Eliana starrte ihn an. „Pater, wovon reden Sie?“ Ihr Atem beschleunigte sich. Etwas war falsch. Sie musste hier raus. Sie hätte auf ihr Bauchgefühl hören sollen.
Pater Valentin achtete nicht auf sie, er schaute weiter auf die Fenster. „Nur einer kann der Welt Erlösung bringen, kann sie von den Parasiten, die auf ihr leben, befreien.“ Er sah sie an und mit Entsetzen bemerkte sie, wie sich seine Gesichtszüge veränderten. Die Haut schien zu schrumpfen, sich enger an seinen Schädel zu legen. Seine Augen fingen an, rot zu glimmen. Er wurde dünner, sein Rücken krümmte sich, und eine trockene Hitze ging von ihm aus. Eliana wich zurück, doch mit überraschender Schnelligkeit packte er sie am Handgelenk. „Kannst du es nicht sehen? Du bist das Tor! Durch dich kann der Fürst der Finsternis endlich diese Welt betreten und sie befreien.“ Er lächelte und entblößte mehrere Reihen spitzer Zähne.
Eliana fing zu schreien an.
Unerbittlich zog Pater Valentin sie zum Taufbecken. Er packte sie am Hals, beugte sie rücklings über das Becken, biss sich ins Handgelenk und träufelte sein heißes Blut auf ihre Stirn. Es brannte wie Feuer. Sie schrie vor Schmerz, wand sich unter seinem Griff, doch er ließ nicht locker. „Empfange die Feuertaufe und öffne deine Seele dem Fürsten der Finsternis.“
Das Brennen verschwand langsam. Eliana fielen die Augen zu.
Sie spürte Pater Valentins heißen Atem an ihrer Wange, als er ihr zuflüsterte: „So ist es gut. Träume und so wird es geschehen.“
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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