Ein Bild - Eine Geschichte
Schatzsuche
Vorsichtig tastete sich Gilig an den Rand der Klippe. Es ging tief hinunter und er musste einen Schritt zurücktreten, weil ihm schwindlig wurde. Wie sollte er es nur bis nach da unten schaffen, wenn er noch nicht mal den Anblick verkraftete? Er atmete tief durch, ging auf die Knie und kroch erneut an den Rand. Das Schwindelgefühl ignorierend starrte er in die Tiefe. Er war sich sicher an der richtigen Stelle zu sein, doch konnte er von hieraus den Eingang zur Höhle, die sich unter ihm im Felsen befinden sollte, nicht ausmachen. In Gedanken ging er noch einmal durch, was ihm der alte Mann im Suff gesagt hatte. Wenn die Sonne am höchsten stand, musste man dem Schatten des einsamen Felsens einhundert Schritte folgen und dann nach rechts bis zu den Klippen gehen. Der Eingang zur Höhle lag dann direkt unter einem in der Steilwand. Es war gefährlich, dort hinunter zu klettern. Stürzte man ab, brach man sich die Knochen an den Felsen und ertrank in der Brandung. Doch Gilig war nicht dumm, er hatte ein festes Seil dabei. Er nahm es aus seinem Bündel, schaute sich suchend um und fand einen Felsen, um den er es binden konnte. Langsam ließ er sich am Seil die Klippe hinab. Zu seinem Erstaunen fand er die Höhle und in ihr den Schatz. Es war alles so, wie der alte Mann gesagt hatte. Mit diesem vielen Gold konnte er für den Rest seines Lebens in Saus und Braus leben. Nun konnte er das neue Leben beginnen, von dem er schon so oft geträumt hatte. Nie wieder musste er zu seinem Herrn zurück, der seine Leibeigenen bei jeder Gelegenheit schlug. Mit dem Gold konnte er so weit weggehen, dass ihn niemand fand. Hastig stopfte er die Münzen und den Schmuck in den mitgebrachten Beutel. Mit seiner schweren Last kletterte er langsam die Kippe wieder hinauf. Immer wieder musste er innehalten. Doch schließlich erreichte er den Rand, hievte sich mit letzter Kraft auf die Felsen, schloss die Augen und blieb schweratmend liegen.
„Wusste ich doch, dass du der Versuchung nicht wiederstehen kannst, Bursche. Und jetzt gibt mir meinen Schatz oder ich puste dir das Hirn weg!“
Gilig riss die Augen auf und starrte direkt in den Lauf einer Pistole. Vor Schreck verschlug es ihm den Atem. Der Henkel des Beutels wurde ihm grob über den Kopf gestreift und der Dieb trat ein paar Schritte zurück. Gilig erkannte den alten Mann. Anscheinend war er doch nicht so besoffen gewesen. Der Alte kicherte böse.
„Danke, mein dummer Freund. Mit meinem steifen Bein hätte ich mir nie mein Gold holen können. Aber zum Glück kann man sich immer auf die Gier seiner Mitmenschen verlassen. Du bleibst da jetzt eine Weile liegen. Wenn du mir folgst, knall ich dich ab!“
Damit humpelte der alte Mann davon und ließ den vor Angst erstarrten Gilig zurück. Der hielt vor Schreck die Luft an und stieß sie dann mit einem Ruck aus. Er lauschte angestrengt und als er nichts mehr außer dem Rauschen des Meeres und dem Geschrei der Möwen hörte, sprang er auf, löste sein Seil, verstaute es in seinem Bündel und machte sich auf den Weg zurück zur Straße, die ihn zur nächsten Stadt führen würde. Er konnte nur hoffen, dass der alte Mann nicht mehr genau wusste, was er alles in der Höhle verborgen hatte, denn nicht alles hatte in den Beutel gepasst und Giligs Hosen- und Jackentaschen waren voller Goldmünzen. Es war mehr als genug.
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Autor:Sabine Kalkowski aus Bergkamen | |
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