Ein Bild - Eine Geschichte
Weiße Weihnacht
Vor Kälte zitternd stand Mona in der hintersten Ecke des Wartehäuschens, des kleinen Bahnhofs von Waldfurt.
„Komm doch mit dem Zug. Ich hol dich dann vom Bahnhof ab“, hatte Oma gesagt.
Was für eine blöde Idee. Warum war sie nicht wie jedes Jahr mit dem Auto gefahren, um sie zu Weihnachten zu besuchen? Jetzt stand sie hier, die Zehenspitzen schon taub. Der Zug sollte in einer Minute kommen, aber es sah nicht so aus, als ob hier überhaupt je ein Zug gekommen wäre. Sie hob die klammen Finger zum Mund und hauchte sie an. Die Handschuhe steckten irgendwo im Koffer. Gestern hatte das Thermometer noch über null Grad angezeigt und heute Morgen war alles weiß gewesen. Der Winter hatte sich über Nacht ins Land geschlichen.
Ein goldenes Funkeln weckte ihr Interesse. Sie schaute genauer hin. Nein, das konnte nicht der Zug sein, es war die falsche Richtung. Das Licht schwebte hin und her und hinterließ eine Spur aus goldenen Funken. Bald waren die Bäume, die entlang der Schiene wuchsen, mit Lichterketten geschmückt, die, obwohl es noch hell war, ein deutlich zu sehendes Licht abgaben. Und das Funkeln kam näher. Mona blieb der Mund offen stehen. Sie erkannte eine kleine Frau mit Zipfelmütze und Flügeln. Wie eine Fee aus den Märchen, nur das die keine Zipfelmützen trugen. Mit ihrem kleinen Zauberstab schmückte sie die Bäume mit Lichterketten. Dann entdeckte das kleine Wesen Mona, zwinkerte ihr zu und verschwand. Mona schaute sich um, ob sie nicht vielleicht woanders wieder auftauchte, doch sie war weg. Aber sie hatte in Mona ein warmes Gefühl hinterlassen.
Die Schiene begann zu summen und Mona nahm ihren Koffer. So wie es aussah, kamen hier doch noch Züge an. Sie schaute noch mal auf die Lichter und lächelte. Sie musste sich bei ihrer Oma für den Vorschlag, mit dem Zug zu fahren, unbedingt bedanken.
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Autor:Sabine Kalkowski aus Bergkamen | |
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