Ein Bild - Eine Geschichte
Feuerrot
„Rot, alles rot“, dachte Ruth zusammenhangslos. Ihr Kopf schmerzte heftig und über sich sah sie nur schemenhaft eine rote Masse. Was war passiert? Sie spürte, dass sie auf dem Boden lag. Die kalte Nässe des Bodens hatte bereits ihre Kleidung durchdrungen. Allmählich wurde ihr Blick schärfer und aus der roten Masse formten sich Blätter, die sie als die eines Feuerahorns identifizierte. Langsam drehte sie den Kopf und wurde mit einem stechenden Schmerz in der Schläfe bestraft. Sie kniff reflexartig die Augen zusammen. Als der Schmerz nachließ, öffnete sie sie wieder langsam und stellte fest, dass sie in einem Vorgarten lag. Das besorgte Gesicht eines alten Mannes schob sich in ihr Blickfeld. Sie sah, wie sich seine Lippen bewegten, aber ihre Ohren nahmen nur Dröhnen wahr. Der Mann richtete sich auf und rief jemandem, den sie nicht sah, etwas zu. Allmählich wurden Ruths Gedanken klarer. Sie konnte hier nicht bleiben, sie musste weiter. Sie erinnerte sich, dass sie mit ihrem letzten Zeitsprung ihren Häschern geradeso noch entkommen war. Sie hatte den Generator schon aktiviert, als einer von ihnen noch einen Stein nach ihr geworfen hatte. Sie drehte wieder den Kopf und hielt den Atem in Erwartung des stechenden Schmerzes an. Er blieb jedoch aus und sie entdeckte den Stein, an dem Blut klebte. Er hatte sie voll am Hinterkopf erwischt. Aber dennoch hatte sie Glück gehabt. Er hätte auch das Zeitfenster des Generators stören können und sie wäre für immer in einer Zeitschleife hängen geblieben. ‚Der Generator!‘ Der Gedanke durchzuckte sie wie ein Blitz. Hektisch tastete sie ihre Manteltaschen ab und seufzte erleichtert auf. Dann rappelte sie sich mühsam auf. Der alte Mann kam gerade mit einer Decke in der Hand aus dem Haus und blieb erschrocken stehen, als er sie zur nächsten Straßenecke taumeln sah.
„Warten Sie! Bleiben die doch. Der Krankenwagen ist schon unterwegs.“
Doch Ruth ignorierte ihn. Krankenwagen und Krankenhaus, das fehlte ihr noch. Sie fasste sich an den Hinterkopf und fühlte klebrige Feuchtigkeit. Das war knapp gewesen. Sie bog in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Garagen ab und lehnte sich schwer atmend an die Wand. Dann holte sie den Generator aus der Manteltasche, gab die neuen Koordinaten ein und drückte den Startknopf. Sie hörte noch aufgeregte Stimmen, als sie den vertrauten Sog spürte.
Ratlos stand der alte Mann vor dem schmalen Durchgang, aus dem eben noch helles Flimmern gekommen war.
„Da ist sie hineingegangen“, sagte er zu den skeptisch dreinschauenden Sanitätern. „Ganz sicher!“
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Autor:Sabine Kalkowski aus Bergkamen | |
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