Ein Bild - Eine Geschichte
Der ewigwährende Kampf

Erschöpft wälzte sich Florian auf seinem Feldbett hin und her. Er war müde, doch seine Gedanken fanden keine Ruhe. Heute hatten sie möglicherweise einen Zugang zu einem Tunnel entdeckt. Was würden sie finden, wenn sie ihn freilegen konnten? Ein unberührtes Grab? Nicht jeder Pharao war bis jetzt gefunden worden. Er klopfte sein Kissen zurecht. Seine Muskeln schmerzten von der ungewohnten Arbeit. Die Ausgrabungssaison hatte erst vor wenigen Tagen begonnen. Es war seine erste Ausgrabung, die er mit vollendetem Doktortitel verbrachte. Diesmal würde seine Meinung bei der Begutachtung der Fundstücke ein ganz anderes Gewicht haben. Endlich dämmerte Florian weg.

Nach nur wenigen Augenblicken schreckte er wieder hoch. Es war noch dunkel. Seine Decke war halb vom Bett gerutscht und er fror ein wenig. Er zog sie hoch, legte sich wieder zurecht, als ihm auffiel, dass nicht die Kühle ihn geweckt hatte, sondern die Geräusche vor seinem Zelt. Es plätscherte, als ob Wellen ans Ufer schwappten. Er hörte auch zischende Laute und aufgeregte Rufe in einer Sprache, die er als ägyptisch zu erkennen glaubte. Was war da los? Er öffnete sein Zelt und traute seinen Augen kaum.
Mitten durch das Zeltlager neben der Ausgrabungsstätte schwamm eine Barke. Sie schaukelte auf dem Sand, als schwimme sie auf einem wogenden Meer. Als er genauer hinschaute, sah der Sand tatsächlich wie Wasser aus. Das Mondlicht spiegelt sich darin. Eine riesige Schlange wand sich in dem Wasser. Sie versuchte, die Barke zu umschlingen und den Mann, der darauf stand, zu beißen. Der Mann trug die ägyptische Krone und stieß immer wieder mit seinem Speer nach der Schlange. Sie war zu schnell, wich ihm immer wieder aus. Florian konnte sehen, dass er langsam ermüdete, daran änderten auch die anfeuernden Rufe seiner Begleiter nichts. Offenbar konnten sie ihn nicht tatkräftig unterstützen, sondern nur das Schiff vorwärtsrudern und ihm Mut zusprechen. Hin und wieder traf ein Ruder die Schlange, doch sie schien es nicht zu bemerken. Immer wieder stieß ihr Kopf auf den Pharao zu, seine Bewegungen wurden langsamer, er schaffte es nur noch knapp, ihr auszuweichen, während sie keine Ermüdungserscheinungen zeigte.
Florian merkte, wie er die Daumen drückte, während er das Geschehen gebannt verfolgte. Ein Schrei entfuhr ihm, als die Zähne den erschöpften Mann fast streiften. Florian stimmte in die Anfeuerungen ein. Der Pharao hörte es, schaute ihn direkt an, nickte und lächelte ihm zu. Als ob Florians Rufe ihm neue Kraft verliehen hatten, duckte er sich unter dem nächsten Vorstoß der Schlange weg und stieß ihr den Speer tief in den Rachen. Das Untier erschlaffte und verschwand in den Tiefen des Wassers.
Am Horizont kündete ein heller Streifen das Heraufdämmern des nächsten Tages an und die Barke verblasste. Wie betäubt kroch Florian zurück in sein Zelt und legte sich hin. War das wirklich passiert oder hatte er das geträumt?

In den nächsten Tagen schaufelten sie den Sand aus dem Tunnel. Immer tiefer drangen sie vor und fanden eine verschlossene Kammer. Florian ertrug die Spannung kaum, als die ersten Steine aus der Mauer gebrochen wurden. Er machte die Taschenlampe an, um durch das Loch in die Dunkelheit zu leuchten. „Ich sehe einen Sarg, er ist noch geschlossen“, rief er über die Schulter und Jubel brach hinter ihm aus. Er leuchtete weiter und sah unter den Grabbeigaben eine kleine Sonnenbarke.
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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