„Sehen sie mir ins Gesicht!“ – Monolog eines alten Schauspielers

„Was sehen sie da?
Nichts?
Alles?
Ich spiele nie die gleiche Rolle. Deswegen kennt mich auch keiner. Allerdings gab es auch eine Zeit, da versuchte ich ein perfekter Schauspieler zu sein. Ich war bereit mich für meine Bühnenfiguren aufzugeben. Und ich scheute mich auch nicht davor ein perfekter Unmensch zu sein. Denn wie ein Blutrichter unterschrieb ich auf der Bühne Todesurteile. Oder ich spielte gleich selber den Henker. Und wenn ich meine Puppen in der Badewanne ertränkte, lachte das Publikum.
Aber glauben Sie mir:
Ich habe diese Zeit genossen.
Dabei bin ich eigentlich ein zurückhaltender Mensch. Aber auf der Bühne entfalte ich mein Leben, indem ich fremdes Leben nachäffe. Dann vibriere ich geradezu vor Lust, obwohl ich eigentlich unter Spannung stehe. Und wer den scharfen Blick hinter meinen falschen Brillengläsern sehen will, weiß um unser lächerliches Leben
Kurz, ich bin ein Schauspieler, der einen Schauspieler spielt. Wenn ich aber meine Rollen spiele, fühle ich mich wie ein Töpfer, der auf der Drehscheibe seine Figuren formt, indem er mit dem Druck seiner Hände den Ton in Form hält. Der Betrachter allerdings muß den Eindruck bekommt, dass sich diese Figuren bis zur Vollendung drehen.
Zugegeben, die Realitäten ändern sich täglich, aber unser Leben geht weiter. Nur das Schicksal der Menschen bleibt ähnlich. Und zu viele Kapitel des Lebens bleiben einfach nur Reprisen, die wir schon lange kennen. Dewegen glaube ich auch nicht, dass die Regieanweisungen von einer fremden Hand geschrieben werden. Da fehlt mir einfach die Fantasie, die in eine Realität übergeht, die sich in Spiegeln verliert.
Wir aber führen jeden Tag das Leben von Schauspielern, die immer wieder ihren Text aufsagen bis der Vorhang fällt.“