Salzige Küsse

Schon am nächsten Morgen zeigte Mallorca sein Plakatgesicht.
Da ich das morgendliche Anstehen zum Frühstücksbuffet hasse, wurde vom Etagenkellner ein spartanisches Frühstück auf dem Balkon serviert.
Hier Oben in der hoch aufragenden Bettenburg fühlten wir uns wie in einem Adlerhorst. Himmel und Meer verschwanden am Horizont, während ich dort unten hinter den ersten Klippen den Leuchtturm entdeckte.
Einige Schiffe lagen abgedreht vor der Bucht. Der Wind hatte den Himmel blau gefegt und das Meer durchzogen kobaltblaue Adern. Dazwischen erahnte das Auge eine türkisfarbene Wasseroase, die ein Riff mit seinen Schaumwellen umspielte.
Zwölf Stockwerke unter uns lag eine große Panoramaterrasse mit Swimmingpool. Den hellblauen Mosaikboden zierte ein stilisierter, schwarzer Schwertfisch, der ständig auf der Stelle schwamm. Das gebrochene Sonnenlicht versetzte ihn in zittrige Erregung. Sein lanzenartiges Maul zeigte wie ein Kompass nach Süden. Oder umlauerte er seine Beute?
Der Pool wurde von zahllosen Liegestühlen so ordentlich umgeben, als müssten die Sonnenanbeter zum Appell antreten. Das war die Bühne der Flaneure und Voyeure, die sich im Pool wie Seelöwen abkühlten, während junge Mädchen in winzigen Slips ihre kleinen Brüste bräunten.
Ältere Männer zogen ihren Bauch ein und aalten sich auf ihrer Sonnenliegen. Dabei bewegten sie ihre gut geölten Oberkörper wie Athleten. Ich habe nicht gezählt wie oft sie noch an diesem Tag ihre Liegestühle verstellten, um sich wie Götzen der Sonne auszusetzen.
In der Mittagssonne warf die „Pool- Bar“ ihren Schatten über die Terrassenbrüstung, um sich im Meer zu kühlen, das nur wenige Treppchen vom Hotel entfernt lag.
Einige Motorboote dümpelten an der Boje, als wüssten sie um den Schutz der kleinen Bucht. Ein lauer Wind kräuselte das kristallklare Wasser und auf dem schmalen Sandstrand jenseits des Hotels lagen Tretboote wie erlegter Fisch. Die provisorisch aussehende Strand-Bar erinnerte an Filmkulissen und salzige Küsse.
Wie exotische Schmetterlinge lösten sich die Surfer aus dem Windschatten der kleinen Bucht mit ihren Föhren, deren schiefer Wuchs den Wind bewies. Das türkisblaue Meer umwarb spielerisch das steil abfallende Felsgestein, das sich selbstmörderisch ins Meer stürzte.
Während ich mit Genuss in meine „Ensaimadas“ (Nationalgebäck) biss, blendete mich die Sonne zunehmend, als befürchtete sie, dass mein Auge zu tief in ihr Geheimnis eindringen könnte.
Das Meer flirrte, als ob das Wasser nur noch mit Mühe in seinem Aggregatszustand zu halten sei, bevor es sich in seine Moleküle auflöste.
Nachdem ich mehrere Stunden über die lähmende Kraft der mediterranen Sonne gebrütet hatte und das lebhafte Klicken der Eiswürfel in meinem Aperitif schon längst erstorben war, beschlossen wir einen Leihwagen zu mieten.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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