Königskinder
„Hatte ihre Frau eine Lebensversicherung?“ stichelte der jüngere Kommissar. Schierwald sah seinen Kollegen missbilligend an.
„Schon gut, schon gut…, “ winkte Ortmann ab und kaute weiterhin auf seinem Streichholz herum. „ … war ja nur eine Frage.“
„Sollte ich meine Frau so hängen lassen?“ fragte Orf gereizt und verrückte seinen Stuhl, damit er diesen Ortmann nicht mehr sehen musste. „Würden sie mir dann eher glauben?“ fragte Orf jetzt mit gedämpfter Stimme, als ob er mit dem Kommissar Schierwald alleine spräche.
„Es geht nicht darum, was wir glauben,“ antwortete der Kommissar und zupfte an seinem Jackett.
„Ein Motiv lässt sich immer finden,“ sagte Orf, als müsste er sich beruhigen.
„Sag ich doch…,“ lächelte Ortmann herablassend. „ …sag ich doch!“
„Aber meine Frau hatte keine Lebensversicherung, um ihre Frage zu beantworten,“ antwortete Orf. „Aber da sie schon diesen Punkt ansprechen: Meine Frau war einfach nicht mehr bereit unseren Alltag zu leben. Dann lächelte sie nur. Irgendwie verächtlich und doch zärtlich: -Lass uns einfach wieder glücklich sein und im Süden leben-“
„Toller Vorschlag…,“ lachte Ortmann gehässig. Und der Kommissar lächelte nachsichtig:
„Wer wollte das nicht? Da braucht man nur die richtige Kreditkarte.“
„Eben“, nickte Orf. „Ich mußte mich ständig um sie kümmern wie um ein Kind. Wie ein Kind, das sich weigerte vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen.“
„Das ist anstrengend…,“ sagte der Kommissar sachlich.
„Das kann man wohl sagen,“ lächelte Orf unentschlossen „Für Eura war das Leben ohnehin ein Amalgam aus Luxus und Schmuddel. Wie konnte es aber bei dieser Einstellung Grenzen geben?
-Ich pfeife auf den Wohlstand!- lachte sie dann herausfordernd.-Ich will den Luxus!-
Sie wusste, daß sie mich mit diesem Gerede aufregte. Und der Dagobert, dem die Geldlawinen entgegen rollten, war ich schon gar nicht. Aber das war für sie überhaupt nicht das Thema: Geld oder Nicht-Geld. Dann lächelte sie nur gelangweilt und rauchte, als sei für sie das Problem damit erledigt.“
„Was soll man darauf sagen?“ antwortete der Kommissar mit routinierter Gelassenheit
„Ja, was sollte man darauf antworten?“ lächelte Orf hilflos. „Also glaubten wir weiterhin an unseren Alltag, weil wir keinen anderen Grund suchten, nicht daran zu glauben.“
„Das war die Fröhlichkeit der Arglosen, was?“ lächelte der Kommissar ironisch, wenn auch seine Stimme wohlwollend klang.
„Ja, “ lächelte Orf, als müsste er sich erklären.„So führten wir jahrelang ein Leben auf Vorschuß. Wir verjubelte das Geld, das wir nicht hatten. Aber wir fühlten uns reich. Das Geld verlieh uns auf geradezu mysteriöse Weise Flügel. Plötzlich orientierten wir uns nicht mehr an dem Geld, das wir nicht mehr hatten, sondern wir genossen unsere finanzielle Sorglosigkeit wie Königskinder. Dabei merkte ich erst zu spät, daß ich unter dem Joch der Schulden einknickte. Wie ein Köter im Laufrad lief ich mir die Pfoten wund, während mich eine unsichtbare Hand zum Narren hielt. Und ich wusste, wenn ich diese Situation ändern wollte, mußte ich ausbrechen. Oder ich mußte mich bis zum Ende meiner Tage an diese Tretmühle gewöhnen.“
„Wer will das schon?“ nickte der Kommissar und blätterte in seiner Akte.
„ Um mich zu retten, versuchte ich deshalb immer mit meinem Leben spielerisch umzugehen,“ sagte Orf leise, als spräche er mit sich selbst. „Und doch war ich am Ende realistisch genug, um zu wissen, daß das Leben auch ohne uns auskam.“
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
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