Gutachter nicht einig: War Anfall schuld?

Beratung der Verteidiger am sechsten Verhandlungstag
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Viel Leid brachte die Unfallfahrt beim Schützenfest von St. Hubertus Menden im Juli des vergangenen Jahres. Und trotzdem gab es Menschen, die Glück hatten. So etwa der Bezirkspolizist, der zur Absicherung des Umzugs mit seinem Streifenwagen die Spitze bildete. „Ich hatte mein Fahrzeug quer zur Straße abgestellt und beobachtete die vor mir abbiegenden Schützen“, erinnerte sich der Beamte.
Als dann die letzten Marschierer auf den Schwitter Weg eingebogen, setzte er sich auf den Fahrersitz. Nur Sekunden später krachte es gewaltig und durch die Wucht des Aufpralles drehte sich der Dienstwagen halb um die eigene Achse. „Der Mercedes hat das Heck genau dort getroffen, wo ich noch kurz zuvor gestanden habe“, atmet der Gesetzeshüter tief durch. „Der Herrgott wollte mich noch nicht.“
Auch ein weiterer Zeuge kann von glücklichen Umständen für seine Person berichten. Der 39-Jährige ging in der rechten Reihe der Marschordnung und hörte ein ungewöhnlich lautes Motorengeräusch. Danach ging alles ganz schnell und der Mendener sah „nur noch zwei Leute vor mir liegen“. „Ich hab gar nicht kapiert, was da passiert ist“, beschreibt er die Situation. „Ich war wie gelähmt und konnte nicht einmal helfen.“ Neben einem Schock blieben nur ein paar blaue Flecken an den Schienbeinen.
Gutachter Professor Dr. Stefan Evers (47) sagte dann aus, dass seiner Meinung nach ein epileptischer Anfall nicht der Grund für die verhängnisvolle Fahrt sein könne. Zwar leide der Angeklagte an dieser Krankheit, aber es würden sich keine neurologischen Gründe finden, die den Unfall-Ablauf erklären könnten. „Ich habe an der Diagnose keine Zweifel“, sagte der Gutachter mit Nachdruck. Läge tatsächlich ein Anfall vor, dann stünde am Ende eine Reorientierungsphase. „Die Zeugenaussagen geben keinerlei Grund, anzunehmen, dass der 80-jährige völlig abwesend war“, so Professor Evers. Er sei gestartet, habe aus der Schlange gelenkt und am Ende sich abgeschnallt und versucht, die Tür zu öffnen. „Das sind solch komplexe Aufgaben, die sich nicht mit einem Epilepsie-Anfall vereinbaren lassen“, bekräftigte der Neurologe. Für ihn gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: „Entweder vorsätzlich oder in einem nicht zu erklärenden Zustand.“
Nach dem Vortrag eines weiteren Sachverständigen („Für einen kurzfristigen Bewusstseinsverlust finde ich aus meiner medizinischen Erfahrung keine Erklärung“) ordnete der Vorsitzende Richter Willy-Kurt Erdmann ein Rechtsgespräch hinter verschlossenen Türen an. Ein Beweisantrag der Verteidigung brachte ein weiteres Gutachten ins Gespräch. Hier sei sehr wohl festgestellt worden, dass doch ein Anfall vorliegen könnte.
Der Richter will jede Möglichkeit ausschöpfen, um Licht in das Dunkel zu bringen. Deshalb wird nun das weitere Gutachten herangezogen, ob eine epileptische Erkrankung Einfluss genommen hat auf seine Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder danach zu handeln.
Als weitere Prozesstermine wurden Freitag, 17. Dezember, Dienstag, 21. Dezember und Dienstag, 4. Januar 2011, festgelegt.

Autor:

Peter Benedickt aus Fröndenberg/Ruhr

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