Dr. Energie & Rübensüsschen - aus der Welt der Esoterik
Das Rübensüsschen lächelte immer nur weinerlich wie ein alt gewordenes Kind, dem es an Spielgefährten fehlte. Vielleicht hatte sie deswegen einen kleinen Sprachfehler. Denn wenn man genau hinhörte, dann merkte man, dass sie gelegentlich lispelte.
Und in diesen Augenblicken sah ich immer gebannt auf ihren Mund. Oder besser gesagt, ich wartete gespannt darauf, dass sie, Rübensüsschen, wieder irgendein großes Wort wie „Karma“ oder „Energie“ in den Mund nahm, damit ich ihr gleichzeitig in den Hals sehen konnte. Denn ich hatte schon seit längerem den Verdacht, dass sie vielleicht eine Zahnspange trug.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen:
Ich habe nichts dagegen, wenn ein Mensch und dazu noch eine Frau sich die Zähne regulieren lässt.
Aber wer eine Zahnspange trägt, muss ja nicht gleich infantil werden, selbst wenn es ein naives Gänschen ist. Und so wie aus Hänschen der Hans wurde, war aus unserem naiven Gänschen eine Gans geworden, die noch immer eine Zahnspange trug.
Kurz, Rübensüsschen trug wunderlich lange Kleider, die sie vermutlich selber entwarf. Wenn sie sich dann aber auch noch tauben haft trippelnd vor dem Spiegel bewegte und sich unentschlossen zu lächelte, erinnerte sie an ein Kind, dass schon lange wusste, dass es bestraft würde – wofür auch immer. Dabei wollte sie doch nur von einem Menschen in den Arm genommen werden.
Sobald sich also Rübensüsschen in Dr. Energie`s Seminarräumen aufhielt, flüsterte sie nur noch mit den anderen Seminarteilnehmern, als würde sonst die feierliche Stimmung, die als „Sai-Baba-Essenz“ durch die Räume waberte, nachhaltig gestört.
In diesen Räumen protestierte niemand mehr gegen das eigene Leben. Und so wie mit den Stühlen gerückt wurde, konnte man annehmen, dass sich hier die Seminargäste schon auskannten wie die Stammgäste in einem Lokal.
Für dieses flüsternde Gemurmel, das irgendwie an einen Bienenstock erinnerte, lebte Gabriela, Dr. Energie `s Frau, die sich vielleicht in diesen Augenblicken wie eine Bienenkönigin fühlte.
Halblaut zählte also Gabriela über die Köpfe hinweg die Teilnehmer des Seminars und schloss dann die Tür.
Unser Rübensüsschen allerdings saß schon da mit gekrümmten Rücken und hoch erregtem Kopf, während ihr gezückter Block auf den Knien lag. Während ihre Augen an Dr. Energie`s Lippen hingen, als säße sie wie ein gehorsamer Schüler zu seinen Füßen, notierte sie beflissen jede Banalität, die Dr. Energie von sich gab. Dabei verzog sich ihr Mund, als wollte sie ein Rezept, das man ohne ärztliche Verordnung nicht einlösen konnte. Und immer wenn Dr. Energie seine Stimme erhob, nickte Rübensüsschen mechanisch wie eine Spielzeugfigur, die durch einprogrammierte Worte wiederbelebt wurde. Vielleicht aber unterdrückte sie auch nur ihr Gähnen. Denn der Seminarraum war überheizt und ein Schleier von Müdigkeit lag auf ihren Augen.
Aber vielleicht glaubte Rübensüsschen auch in diesem Augenblick zu meditieren, während Dr. Energie`s Stimme ihren Kopf ausfüllte bis sie, Rübensüsschen, vom Stuhl fiel.
Nein, sie zog sich keine Verletzungen zu. Denn wo keine Fallhöhe ist, da muss man sich nicht vor dem Aufschlag fürchten.
Ich sage ja immer:
Ein bisschen Physik schadet nie!
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.