Der "Macho"
Das Fitnesstudio lag in einem Hinterhof mit Sperrmüll vor der Tür. Der Kraftraum sah aus wie eine Waffenkammer. Die Wände waren beklebt mit Erinnerungsfotos und Body-Building-Plakaten.
Karl-Heinz war ein harmloser Typ. Er redete wenig und das, was er sagte, war vorhersehbar. Kurz, es schien mir, daß er gelegentlich zwar etwas redete, aber keiner hörte hin.
„So sah ich einmal aus…, “ sagte er stolz und zeigte mir ein Foto. Ein schmalbrüstiger, junger Mann sah mich aus dunklen Augenhöhlen an.
Er war ein „Held“, den man noch akzeptieren könnte.
Aber wenn ich Karl-Heinz so betrachtete, kam mir der Slogan der Metzger in den Sinn:
„Wer nicht immer besser wird, der hört auf, gut zu sein!“
Da können Speckfalten nichts mehr verdecken!
Karl-Heinz hatte einen schweren Beruf. Wenn andere noch schliefen, began er mit seiner Schicht.
Er war ein Verlierer, der einersets austeilte, aber noch mehr einsteckte.
Aber das Fitnesstudio war seine Bühne.
Wenn Karl-Heinz von den Kraftmaschinen abließ, setzte er sich an die sogenannte „Bar“, die verrumpelt aussah. Da spielte er den lässigen Typen mit Überbiß.
Ja, die Arroganz, wie der Typ auf dem Body-building-Plakat mit seinem Waschbrettbauch, war aberwitzige und aller Realität enthoben.
Ich staunte, daß sich Karl-Heinz nicht mehr zu kennen schien. Der Slogan der Metzger- das war die einzige „Moral“, die zählte.
Also: Er spielte den „Macho“, als hätte er Hörner und behufte Füße.
Natürlich sah er die Frauen verächtlich an und gerade das fanden sie unwiderstehlich, wie er glaubte.
So konnte Karl-Heinz an keinem Spiegel vorbeigehen, ohne sich selbstgefällig zu betrachten. In diesen Augenblicken war er immer mit seinem Blick allein.
Dabei war Karl-Heinz ein Verlierer, den in beruflicher Hinsicht keiner brauchte. Vielleicht verbrachte er deswegen seine Zeit im Fitness-Studio. Hier konnte er seine Muskulatur kraftvoll „veredeln“. So passte er inzwischen vermutlich in jede Uniform. Aber an einen Anzug hätte er sich gewöhnen müssen.
Immerhin, Karl-Heinz trainierte jeden Tag im „Studio“ bis der Schweiß auf seiner Haut stand. Dann glitzerte er wie ein zeugungsfähiger Käfer. Ich glaube, er wäre am liebsten nackt herumgelaufen. Wenn er dann abends aber seine Sporttasche packte, war sein T-shirt immer zu klein und seine Biceps drohten die engen Ärmel zu sprengen. Und er hatte Muskeln, die ihn aus dem Bett katapultierten.
Dann lächelte Karl-Heinz über sein Solarium gebräuntes Gesicht, als würde er von innen beleuchtet. So zufrieden, wie er aussah, war er kein Mann, der freiwillig auf seine Reproduktion verzichtet hätte.
Da müsste nur eine „Traumfrau“ kommen und ihn bewundern.
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
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