Der Kobold
„In deiner Kindheit hast du schon immer alt gewirkt…“, schrieb sie auf einen Zettel.
Damals packte seine Frau ihn an den Armen und schüttelte ihn, um ihn aus der Erstarrung zu reißen. Er lebte sehr zurückgezogen und seine Frau hielt „das“ nicht mehr aus.
Trotz seiner erlittenen Naivität, sah man dieses feine Lächeln nicht wieder
Denn die Frau sah ihn noch einmal an und sein Gesicht überzog sich mit einer tödlichen Blässe.
Kurz, seine Frau trennte sich von ihm.
Er wirkte wie ein Kobold mit seinem weißen Kopf. Dabei zupfte er die spärlichen Haare und hatte den Drang, sich dauernd die eigenen Haare auszureißten. Die Furchen auf seiner Haut waren rissig und sein Gesicht war hässlich. Er betrachtete sich so lange im Spiegel, bis er sich nicht mehr sehen konnte.
Er hatte sich in eine Decke gehüllt wie ein Greis, der böse lachte.
Er hatte sich ein Minenfeld um sein Herz gelegt. Aber die Träume hatte er noch nicht vergessen. Wo hausten die Geschöpfe seiner Phantasie?
Dabei durchsetzten seine Worte unvollendete und verschluckte Halbsätze.
Es widerstrebte ihm einfach, die „Dinge“ kausal und logisch anzufassen. Aber auch die Erwachsenen mit ihren Spielregeln – dass wollte er gar nicht! Er hatte die Brille abgenommen und rieb sich mit dem Taschentuch die feuchten Augen. Oder beobachete er ganz andere Erscheinungen in der Luft, die andere nicht sahen?
Da war ein Mensch, der das vergebliche Gefühl hatte, wie ein Kind zu sein. Aber die Erinnerungen, die er hatte, waren unterbelichtete Abbilder. Aber der Reiz der Bilder lag darin, dass sie im Verborgenen entstanden waren.
Die Welt ist immer auf der Flucht! dachte er. Nur du läufst den umgekehrten Weg zurück, wie einer, der flieht.
Eine Kindheit ist wie eine Frucht, die man seit Jahren verzehrt ohne dass man es merkt. Aber er hatte noch nicht von dieser „Frucht“ genossen.
Und seine Eltern, unwissend, wie alle Eltern sind, verwehrten ihrem Sohn die „Geborgenheit“, obwohl sie „alles tun würden“ - jedenfalls theoretisch.
Seine Haltung zu der Welt, in der er nun lebte, nahm eine Unerbittlichkeit an, wie das eigene Leben. Man muss sich zusammenreissen, dachte er und den Rest des Lebens hinter sich bringen. Der war der einzige Zufall - man musste auf Alles vorbereitet sein.
Und das hatte Folgen für die Sprache. Sie wurde sehr emotionsarm, ja, skelettiert.
Und man konnte sagten: ein infantiler Irrsinn stand in seinem Gesicht.
„So, das wars!“ rief der Regisseur. „Jetzt müssen wir Mittag essen…“
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
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