Das 3. Gedeck ( für Peter O. )
Kein Gangster sieht aus wie ein Gangster. Als ich aber neulich bei meiner sehr alten Mutter zufällig diesen stiernackigen Mann mit Schlips und Kragen antraf, dachte ich blitzartig, das könnte ein Gangster sein.
Aber dann war es Peter, den ich schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Als er mich, unerwartet für ihn, aber sah, verzog er reflexartig sein Gesicht, als müsste er sich erbrechen. Doch schnell korrigierte er seine Gesichtszüge und grinste dabei jovial, als spielte er mit gezinkten Karten.
Sein Grinsen hasste ich schon als Jugendlicher.
Schon damals presste er seine schmalen Lippen so zusammen, dass der letzte Anflug von Heiterkeit aus seinem Gesicht verschwand.
Kurz, wer täglich in diese Augen blicken musste, war nicht zu beneiden, dachte ich, als ich ihn nach so lange Zeit wiedersah. Denn seit damals gab es in unserer Biografie kaum noch Überschneidungen.
Aber alles, was ich in dieser Zeit über ihn hören konnte, hatte die gleiche Melodie:
Peter versuchte bei jedem Geschäft, in das er verwickelt war, die Spielregeln nach seiner Lesart zu ändern.
Zimperlich war er dabei nicht.
Aber dieser Geschäftsmann, Peter, der in den Augen meiner Mutter die Qualitäten besass, die ihrem Sohn fehlten, war für sie immer nur das „Peterle“. Und dieses Peterle besass die Unverfrorenheit eines Menschen, der seine mangelhafte Bildung durch Geld wettmachte und durch sein lautes Organ. Dabei riet ich ihm schon als Jugendlicher den Gebrauch falsch benutzter Fremdworte zu vermeiden.
Wer ihm aber länger zuhören musste, konnte glauben, man müsste irgendwo ein Radio abstellen, um ihn, Peter, besser zu verstehen.
Als mich Peter jetzt aber auch noch umarmen wollte, nachdem er sich „gefangen“ hatte, drehte ich mich um und setzte mich so in den Sessel, dass ich meiner Mutter gegenüber saß.
Sie hatte mit meinem Besuch nicht gerechnet:
Denn seitdem ihr jede Woche Glücksversprechungen verschiedenster Lotterien ins Haus flatterten, wurde sie von Tag zu Tag euphorischer.
Und irgendwann verbat sie sich jegliche Kritik meinerseits.
Denn der Hauptgewinn, den sie erwartete, war so hoch, dass ich die finanzielle Dimension nicht verstehen könne, belächelte mich meine Mutter arrogant. Denn immerhin sei jeder seines Glückes Schmid. Und wer an allem „herumkrittle“ wie ich, müsse sich am Ende nicht beschweren, wenn er vom Glück vergessen würde.
Kurz, die letzten Monate vermied ich meine Mutter zu besuchen. Denn ich konnte nichts mehr von diesen Gewinnen hören, noch davon, dass sie, eine wohlhabende Frau, ständig ihr Konto überzog, um den erwarteten Hauptgewinn „vorzufinanzieren“. Denn das habe ihr, wie Mutter sagte, ein befreundeter Geschäftsmann, Peter O. geraten. Und er, dieser Geschäftsmann, habe ihr versprochen, dass er persönlich dafür eintreten werde, dass sein Freund, der Vorsitzende einer bekannten Bank, ihr soviel Dispo gewähren würde bis ihr der Hauptgewinn, der schon auf sie wartete, ausbezahlt würde.
Und bei dieser Gewinnsumme sei ihr Konto sowieso wieder im Plus. Sollten aber alle Stricke reißen, wäre das auch kein Problem, hatte ihr der Geschäftsmann versprochen. Die eine oder andere Immobilie, na ja, soweit wollen wir ja gar nicht denken…
Kurz, meine alte Mutter hatte den Kaffetisch schon für drei Personen gedeckt. Und ein üppiger Blumenstrauß, den noch eine knisternde Folie umgab, schmückte das Stilleben.
Im Übrigen kam das „Limoges“ Services immer nur dann zu Ehren, wenn meine Mutter Besuch hatte, den sie besonders schätzte. Und das galt natürlich auch für das vergoldete Besteck.
Da meine Mutter aber nicht mit meinem Besuch gerechnet hatte, ich aber bis drei zählen kann, wartete ich geduldig auf das Klingeln an Haustürschelle.
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
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