"Crash Kurs NRW" in Sundern rüttelt auf

Insgesamt 15 Kreuze erinnerten an junge Menschen, die bei Verkehrsunfällen in der Region ums Leben kamen.
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Chiara, 19, isst im Auto einen Apfel. Als er ihr herunter fällt, will sie ihn aufheben. Sie kracht gegen einen Baum - Wachkoma. Vadim fährt die Unfallstrecke täglich, kennt sie in- und auswendig. Warum er viel zu schnell fuhr, weiß keiner. Vadim wurde 24.

Chiara und Vadim sind keine Einzelfälle. Mit der landesweiten Kampagne „Crash Kurs NRW“ schilderte die Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis dem jungen Publikum in der Sunderner Schützenhalle am Donnerstag die Auswirkungen und Folgen von Fehlverhalten im Straßenverkehr. Eingeladen waren rund 600 Schülerinnen und Schüler von Gymnasien aus Sundern und Schmallenberg sowie der Berufsbildenden Schule aus Eslohe.

"Realität erfahren. Echt hart"

15 Kreuze standen auf der Bühne und in der Halle verteilt - sie erinnerten an junge Erwachsene zwischen 17 und 24 Jahren, die bei Verkehrsunfällen in der Region ums Leben kamen. „Hinter jedem dieser Kreuze steht eine Geschichte“, machte Verkehrssicherheitsberater Rolf Schemme den Jugendlichen klar, „und hinter jedem der Kreuze Familie und Freunde, die sie zurück gelassen haben.“
Auf stark emotionaler Basis berichteten die Akteure der Projektgruppe von ihren Erfahrungen. Angehörige der Feuerwehr, des Rettungsdienstes, ein Notarzt, Unfallbeteiligte und Angehörige von Unfallopfern kommen beim Crash Kurs zu Wort. Das Motto: „Realität erfahren. Echt hart.“ Ein Trailer zu Beginn machte direkt deutlich: Hier geht´s nicht um coole Action oder spektakuläre Stunts - hier geht es um das echte Leben.„Wir sind hier nicht bei Youtube “, betonte Stefan Drinhaus, Verkehrspolizist in Meschede. „Wir sind reell.“

"Wir sind hier nicht bei Youtube - wir sind reell."

„Es gibt keinen Weg zurück“, brachte Verkehrssicherheitsberater Rolf Schemme es auf den Punkt. „Der Crash Kurs weißt auf viele Dinge hin, die wir wissen. Das Ziel ist es, hier ´rauszugehen und zu sagen: Da denke ich mal d´rüber nach.“ Ganz wichtig sei es, sich anzuschnallen. „Bei den nicht ganz so schweren Unfällen ist der Gurt Lebensretter Nummer Eins.“ Außerdem: Kein Alkohol oder Drogen. „Seid aufmerksam, fahrt nicht zu schnell!“ Eigentlich selbstverständlich, aber im realen Alltag dann irgendwie wohl doch nicht.
„Unfälle lassen sich alle vermeiden“, weiß Karsten Müller. Der 39-Jährige ist Notarzt auf einem Rettungshubschrauber. Er hat schon viel gesehen. „Es ist fast immer Unachtsamkeit oder einfach Blödheit, die zu einem Unfall führt.“ Er erzählt von Thorsten, 19, der in einer Kurve von der Straße abkam und gegen einen Baum fuhr. „Die klassische Situation: Baum - Kurve. Der Baum ist immer stärker.“ Thorsten ist im Landeanflug auf das Krankenhaus gestorben. „Wenn ein Unfallverursacher stirbt, ist das die eine Sache, das ist schlimm genug. Aber wenn Unbeteiligte ihr Leben lassen müssen - das ist etwas, was mich kolossal wütend macht!“ , erinnert der Notarzt an einen Unfall, bei dem eine junge Mutter von einem Jugendlichen überfahren wurde.
Sehr persönlich schilderten auch Thomas Sölken und Ralf Kraas von der Freiwilligen Feuerwehr Oeventrop ihre Erfahrungen. Beide berichteten von einem Einsatz im Dezember 1999 , bei dem fünf junge Menschen ums Leben kamen. „Das, was ich da erlebt habe, die Eindrücke, die Gerüche - das kriege ich nicht mehr aus dem Kopf“, so Sölken. „Ein Kollege, der mit vor Ort war, kann es nicht auf dieser Bühne erzählen - auch nach 14 Jahren nicht“, erklärte Lutz Klosterhoff von der Polizeiwache in Hüsten.
Bei dem Unfall war ein Golf gegen einen Holzschlepper geprallt. Auch der Fahrer des Lkw war in der Schützenhalle in Sundern. „Ich konnte nichts tun, ich war nicht Schuld. Aber das spielt überhaupt keine Rolle. Die Bilder werde ich nie vergessen! Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie in ihrem Leben nie so ein Gefühl von Trauer haben müssen.“

"Die Zeit heilt nicht alle Wunden"

Zum Abschluss kam Gerd Kriegesmann auf die Bühne. Er verlor bei dem Unfall seinen Sohn Tobias. „Auch nach 14 Jahren fällt es mir nicht leicht, darüber zu sprechen. Die Zeit heilt nicht alle Wunden.“ Er machte deutlich, was es für die Angehörigen bedeutet, wenn plötzlich ein Mensch nicht mehr da ist, und appellierte an die Jugendlichen: „Sie haben noch Ihre Zukunft - gehen Sie sorgsam damit um! Für Ihre Familie, für Ihre Angehörigen sind Sie etwas ganz Besonderes und Wertvolles!“
Die Polizei NRW hofft, durch den Crash Kurs eine langfristige Verhaltensänderung zu erreichen und damit eine rückläufige Beteiligung dieser Zielgruppe an schweren und schwersten Verkehrsunfällen. Eines ist sicher: Kalt gelassen haben die sehr authentischen und persönlichen Schilderungen in Sundern sicher niemanden.

Insgesamt 15 Kreuze erinnerten an junge Menschen, die bei Verkehrsunfällen in der Region ums Leben kamen.
Die landesweite Kampagne Crash Kurs NRW ist ein Präventionsansatz, der sich unmittelbar an junge Erwachsene wendet.
Autor:

Diana Ranke aus Arnsberg-Neheim

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