Abgestellt. Ausgedient. Vergessen.
Das Fahrrad des Schornsteinfegers von nebenan.
Abgestiegen. Abgeschlossen. Verrostet. Vor 60 Jahren "ausser Dienst" gestellt. Dynomo ausgeschaltet, Scheinwerfer aus. Selbst die alte Aktentasche klemmt noch auf dem Gepäckträger. Aus und vorbei. Jetzt steht es da, das alte Fahrrad. Einfach an der Backstein-Hauswand stehengelassen. Es hat seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Wird nicht mehr gebraucht. Unbeachtet, verrostet - ein Denkmal vergangener Zeiten. Entdeckt als Kunstwerk an der Hauswand des Schornsteinfegers in Lohne, bei Soest.
"DENK-MAL" drüber nach, flüstert es mir zu.
Mache ich! Ja, es gibt ihn nicht mehr, den Schornsteinfeger von nebenan, den jeder kennt als den Glücksbringer schlechthin. Heute kommt er im chicen schwarzen Zunft-Dress daher, mit goldenen Knöpfen am Revert. Zwei Mal im Jahr. Angekündigt. Mit einem Zettel im Briefkasten, auf dem steht "Morgen kommt der Schonrnsteinfeger zwischen 8.00 und 12.00 Uhr". Hoffentlich bin ich überhaupt zu Hause, wenn er kommt.
Nicht mit dem Dienstfahrrad, Nein, mit dem weißen Auto, von weit her. An der Fahrertür prangt der Werbeslogan "Zum Glück gibt es den Schornsteinfeger". Wie Recht er hat. Vor so manchem Kaminbrand und der lebensgefährlichen Kohlenmonoxyd-Vergiftung schützt er uns.
Seine Kehrbezirke sind heute riesengroß. Er kennt seine Kunden nicht mehr persönlich. In seinem Aktenkoffer finden sich elekronische Messgeräte für unsere hochtechnisierten Heizungsanlagen. Natürlich lässt er, wie seine "Vorfahren" kurzerhand auch seine eiserne Kugel und den Kehrbesen im Kamin hinunterjagen. Blitzschnell - in Windeseile ist er fertig. Auch der elektronische Prüfbericht über die Emmissionswerte unserer Heizung und sein gesalzener Gebührenbescheid. Davon muss ich mich erst einmal erholen.
Aber Gott sei Dank kommt der Glücksbringer nur zwei Mal im Jahr!
Wie sich die Zeit doch wandelt!
Autor:Marita Gerwin aus Arnsberg |
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