Mörderische Qualitäten

Zur Jahrhundertwende (19/20-igste Jhd) war es nicht nur für den deutschen Soldaten selbstverständlich, dass er sein Leben für „Volk“ und „Vaterland“ opferte, um letztlich von der Kirche als „Held“ beerdigt zu werden.
Menschen, die mit einem derartigen Pflichtgefühl ausstaffiert waren, machten in der Regel kaum disziplinarische Schwierigkeiten. Denn diese Menschen stellten das, was sie zu fühlen glaubten, nicht in Frage.
Im Gegenteil.
Der junge Soldat aber, der sich jetzt als das „frische Blut“ seines „Volkes“ sah, fühlte sich, da er nun endlich ernst genommen wurde, geschmeichelt.
Aber gleichzeitig war er auch begeistert davon, dass die staatliche Autorität an seine „Reife“ und „Verantwortung“ appellierte. Auf diese Weise wurde er, der junge Soldat, in seiner Eitelkeit angesprochen, weil er nun glauben durfte, dass sein Dienst an der Waffe ein freiwilliges Opfer für „Volk“ und „Vaterland“ sei.
Und so reihte er sich in jenen historischen Zeiten begeistert in die Marschkolonne ein, um sich gleichzeitig als Bürger entmündigen zu lassen.
An die Stelle der Autoritätsperson „Vater“ trat nun der Staat in Gestalt des Militärs, der Wirtschaftsverbände und der Kirche.
Mit kindlichem Ernst versuchte nun der Soldat seine Aufgaben zu erledigen, um anschließend vielleicht sogar mit einem Orden gelobt zu werden. Und wie ein Kind glaubte der Soldat, dass die Autorität, der er sich nun unterwarf, vom gesunden Menschenverstand regiert wurde, damit die ursprünglich geordnete Welt, nunmehr vom Feind bedroht, wiederhergestellt werden konnte.
Wenn aber dieses Ziel erreicht worden war, dann war dieser Krieg heute der letzte Krieg, so glaubte er. Denn dann würde kein Mensch mehr wagen erneut die Waffe in die Hand zu nehmen.
Warum auch?
Denn noch befiel den jungen Soldaten keine Skepsis. Seine Hoffnungen waren klar umrissen und es fehlte ihm an der Phantasie Angst zu haben.
„Ehre“ und „Ruhm“ waren noch Worte, die er ohne Beigeschmack aussprechen konnte. Und in Zeiten, in denen der Mensch als einzelner nichts galt, befreite ihn die kämpferische Aktion ohnehin vom Gehorsamsdruck und der kasernierten Isolation.
Die von Außen herangetragene Erwartungshaltung stärkte zwar das Gemeinschaftsgefühl der Soldaten. Aber die Bereitschaft den Feind zu töten, widersprach auch schon damals dem bürgerlichen Gesetzbuch. Denn der Krieg legalisierte die Kriminalität und der eine oder andere entdeckte nun seine mörderischen Qualitäten.
Also konnte er tapfer sein.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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