HEXENMILCH ( u.a. ein kleiner Exkurs I. Weltkrieg )
Industrielle Revolutionen werden oft von sozialen Umwälzungen begleitet. Und jetzt, sozusagen über Nacht, zerbricht plötzlich das Koordinationssystem, das bisher dem einzelnen Bürger als Orientierung diente:
Plötzlich ist das, was gestern noch galt, heute hoffnungslos überholt.
Das kann verwirren.
Je unsicherer sich aber für jeden einzelnen der Alltag darstellt, desto eher wird er den Wunsch verspüren dieses plötzlich auftretende Vakuum -nicht mehr zu wissen was „richtig“ oder „falsch“ ist- mit neuem Sinn zu füllen.
Derartigen Identitätskrisen locken immer wieder Figuren auf die politische Bühne, die von dem „Glauben“ beseelt sind, das eigene Volk, wenn nicht gerade retten, so doch beschützen zu müssen.
Und so bieten sie sich diesen Menschen als Amme an, damit keiner von ihnen in dieser unübersichtlichen Welt verloren geht. Bei derartiger Fürsorge wird natürlich jeder kritische Einwand zur Blasphemie. Denn wer sich dieser Amme hemmungslos an die Brust wirft und ihre Hexenmilch einsaugt, wird vielleicht am Ende noch glauben sich und die eigene Rasse mit religiöser Inbrunst verteidigen zu müssen. So, als gelte es das Jenseits zu beschwören, um die eigene Zukunft zu retten.
An derartige Gedanken kann man sich gewöhnen, wenn die Vernunft verstummt. Und im Übrigen trägt jeder die Sehnsucht in sich, irgendeine Rolle in der Passionsgeschichte seines eigenen Lebens zu spielen.
Denn in diesem pseudoreligiösen Bereich, in dem es nicht nur um ihn, den Menschen geht, sondern auch um sein „Volk“, fühlt sich der Mensch emotional fest eingebettet.
Wenn aber dann vom „Heldentum“ die Rede sein sollte, dann ist auch das Gerede vom „gerechten Krieg“ nicht mehr weit. Dann müssen nur noch die Aggressionen hoch gepeitscht werden, um für die aufgestaute Wut das passende Ventil zu finden.
Und plötzlich wird jedes Menschenopfer Recht, selbst wenn die „Geschichte“ dagegen spricht.
Autor:Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg |
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