Haushaltsrede 2016
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag!
Sehr geehrter Herr Landrat!
Ich habe mir lange überlegt, wie ich meine diesjährige Haushaltsrede gestalte.
Das Ziel, hier im Saal von mehr als 4 Personen Beifall zu bekommen, hätte zur Folge, dass ich mich inhaltlich verbiegen müsste. Da ich aber kein sehr sportlicher Mensch bin, habe ich es nicht so mit dem Verbiegen.
Also habe mich wieder dazu entschlossen, hier im Raum eine Rede zu halten, bei der ich ab und zu Ihrem Gesicht ein Lächeln entlocken möchte, obwohl andere dieses als „Gelächter“ deuten würden.
Als aktiver Pädagoge, der im Alltag straffälligen jungen Menschen den richtigen Weg aus der Kriminalität aufzeigt, wollte ich Ihnen hier im Saal den Weg weg von Ihrer konservativen Grundhaltung erklären.
Ich möchte Ihnen daher heute Nachmittag das kleine ABC der linken Kommunalpolitik näher bringen.
Beginnen wir beim A wie Alternative.
Viele der hier im Saal sitzenden Parteienvertreter vergessen immer wieder, dass es im Hochsauerlandkreis immer mehr Menschen gibt, die nicht mehr mit der Mehrheitsmeinung übereinstimmen. Auch diese Menschen haben ein Recht, dass ihre alternativen Themen hier eingebracht, diskutiert und umgesetzt werden.
Das geht nur über eine starke Bürgerorientierung und damit wären wir beim B. Gespräche mit Menschen in den Fußgängerzonen oder bei Festen und Feiern werden auch im nächsten Jahr wieder ganz oben auf meiner Agenda stehen.
Beim C muss ich mich leider gegenüber meiner Rede im letzten Jahr wiederholen. Ein guter Sozialist hat oft eine christliche Erziehung genossen.
Herr Diekmann, jetzt kommen wir zum D. Haben Sie schon mal etwas von demokratischen Regeln in Ausschüssen gehört? Auch wenn Ihnen Themen wie „Nicht-heterosexuelle Jugendliche“, und „Kita-Streiks“ nicht in den Kram passen, sollten Sie trotzdem zukünftig gewisse Grundregeln im Jugendhilfeausschuss einhalten.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hat hier jemand im Saal schon mal etwas vom Elternwillen gehört? Sie merken, ich bin jetzt beim Buchstaben E. Bei dem Antrag unserer Fraktion, im Schuljahr 2017/2018 eine Gesamtschule mit einem berufsorientierten Schwerpunkt im Hochsauerland einzurichten, geht es auch darum, keine Scheu davor zu haben, den Bedarf bei den Eltern zu erfragen.
Wegen der negativen Vorfälle der letzten Wochen, hoffe ich auf eine Ernsthaftigkeit beim Thema des nächsten Buchstabens. Unter F möchte ich etwas zur Flüchtlingssituation sagen.
Zuerst einmal will ich mich nochmals im Namen meiner Fraktion bei den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Hilfskräften (zu denen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses gehören) für ihre unermüdliche Arbeit in den Flüchtlingsunterkünften bedanken.
Wir haben im November in unserer nächsten Umgebung erfahren, zu was die IS-Verbrecher in der Lage sind. Und deswegen war der Brandbrief des Landrats mit dem Ziel, die Flüchtlingszahl zu begrenzen, das falsche Signal. Ein gemeinsamer Brief an die Waffenindustrie und deren Zulieferer in unserer Region, die für mich zu einem der Verursacher dieser weltweiten Krise gehören, wäre aus meiner Sicht sinnvoller gewesen. Wenn aber dieser Industriezweig nicht abgeschafft werden kann, sollte er wenigstens über höhere Steuern an der Bewältigung der Flüchtlingskrise finanziell beteiligt werden.
Herr Dr. Schneider, bei Ihren Ausführungen zu der Flüchtlingssituation im Hochsauerlandkreis hatte ich zwischenzeitlich das Gefühl, dass sie das Recht auf Freizügigkeit auch bei Flüchtlingen irgendwie vergessen hatten.
Und beim Aufstellen des diesjährigen Haushalts vermisse ich in diesem Zusammenhang Ideen, vor allem in dem sozialen Bereich noch stärker zu investieren, einmal um den geflüchteten Menschen hier schnell die Integration zu ermöglichen, aber auch um andere sozial Benachteiligte nicht wegen fehlender Finanzmittel zurückzulassen.
Ich warne deshalb in diesem Zusammenhang vor allem vor der Gefahr von rechts und habe somit auch das G abgehandelt.
Und beim H gebe ich nur kurz den Hinweis auf unsere dauerhafte Forderung, einen sozial-gerechten Haushalt zu verabschieden.
Jetzt muss ich wieder thematisch springen, um Ihnen das I und das J zu erklären. Da gibt es schon seit Jahren mit Israel einen Jugendaustausch. Eigentlich auch aus meiner Sicht als Sozialarbeiter ein guter pädagogischer Ansatz. Nur scheint es in den letzten Jahren keinen mehr in diesem Saal interessiert zu haben, wie die Maßnahme funktioniert.
Nur weil ich zufälligerweise mein Interesse erklärt habe, aus berufsfachlichen Gründen an der Maßnahme teilzunehmen, hat der Jugendhilfeausschuss in der vorletzten Sitzung erfahren, dass bei der jugendlichen Zielgruppe fast kein Interesse besteht. Da fahren also nach meinem Wissensstand 8 junge Menschen aus dem Hochsauerlandkreis finanziert mit ca. 20000,-- € aus Kreis- und Landesmitteln für 10 Tage nach Israel, nachdem sie vorher Besuch von einer Delegation aus diesem Land bekommen haben.
Ich hoffe, Sie brauchen jetzt keinen Taschenrechner, um auszurechnen, wieviel Steuermittel dort pro teilnehmender Person verbraucht wurden.
Als Jugendpolitiker möchte ich die Maßnahme nicht unbedingt abschaffen. Aber wenn man in unserem Zuständigkeitsbereich kein größeres Interesse erreichen kann, sollte man schnellstens in Nachbarkreisen nach Mitveranstaltern suchen.
Um nochmal kurz auf den Buchstaben B wie Bürgerfreundlichkeit zurückzukommen, hier der Hinweis, dass ich bis heute noch keine offizielle Rückmeldung durch das Jugendamt bekommen habe, warum ich trotz persönlicher Kostenbeteiligung nicht mitfahren konnte, obwohl ja genügend Plätze frei waren.
So Herr Dr. Schneider, jetzt komme ich zum K wie Kostentreiber!
In Ihrer diesjährigen Rede zur Einbringung des Haushalts haben Sie vom Kostentreiber „Behinderte“ gesprochen. Nicht nur als Kreistagspolitiker sondern auch als Mensch, der sich aus beruflichen Gründen täglich mit dem Thema „Behinderung“ beschäftigt, erwarte ich im Anschluss an meine Rede Worte der Entschuldigung. Ich glaube, das werden Sie auch machen, da ich Sie im Laufe des Jahres auch positiv kennengelernt habe. Manchmal sind Sie bereit, Fehler einzugestehen und zu korrigieren.
Was kostet L O B, die leistungsorientierte Bezahlung? Womit ich jetzt, wie man hört, beim Buchstaben L wäre.
Da werden im Laufe eines Jahres mit jedem beteiligten Beschäftigten Ziel- und Mitarbeitergespräche geführt, deren Ergebnisse dann anschließend wieder überprüft und dokumentiert werden müssen. Da geht aus meiner Sicht sehr viel Zeit verloren, die die Beschäftigten sinnvoller für Ihre Arbeit benötigen könnten. Wenn es keine Stellenwiederbesetzungssperren und fehlende Finanzen für Stellenerweiterungen gäbe, hätte man ja mehr Zeit für LOB. Aber es ist halt anders.
Die Verwaltung fordere ich auf, für den nächsten Haushalt zu ermitteln, wieviel Arbeitsstunden für die Umsetzung von LOB benötigt werden und wie hoch die Kosten dafür sind. Um diese dann einzusparen, sollten die Rücklagen der Beschäftigen denen über einen einfachen ressourcensparenden Verteilungsschlüssel wieder ausgezahlt werden.
Aber vielleicht kann sich der Landrat wegen des hohen Verwaltungsaufwandes auch an den Arbeitergeberverband wenden mit der Aufforderung, diese Leistungszahlungen generell wieder abzuschaffen.
Auf Arbeitnehmerseite werde ich mich über meine Gewerkschaft ver.di weiter dafür einsetzen. Damit wäre schon an dieser Stelle der spätere Buchstabe V abgearbeitet.
Sehr geehrte Damen und Herren,
beim M machen wir jetzt eine kleine Reise von Meschede in den Arnsberger Stadtteil Müschede.
Für diesen idyllischen Ort steht im kommenden Jahr die Entscheidung über den weiteren Ausbau des Steinbruchs Habbel an.
Für mich als linker Gewerkschafter hat natürlich der Erhalt von fair bezahlten Arbeitsplätzen einen hohen Stellenwert. Und in diesem speziellen Fall habe ich mir sagen lassen, dass der dortige Arbeitgeber zu den positiveren in unserem Lande gehört.
Andererseits sind mir auch aus meinem persönlichen Umfeld die täglichen Beeinträchtigungen der Menschen in Müschede bekannt. Hohe Geräuschkulissen in der Nacht und am Wochenende sowie wackelndes Hausinventar sind nur ein Teil der Dinge, die das dortige Leben manchmal etwas beschwerlich machen.
Ich glaube aber, wenn beide Seiten den ernstgemeinten Willen zum Kompromiss zeigen, wird es Lösungen geben.
Und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat gezeigt, dass auch wir Linken als Schlichter eine sehr gute Arbeit machen können.
Der Buchstabe N führt uns nun zu einem Thema, bei dem man merkt, dass das Vorurteil doch stimmt, dass wir Sauerländer halt etwas „hinterwäldlerisch“ sind.
Bei der Diskussion im Jugendhilfeausschuss über die Situation der Nicht-heterosexuellen Jugendlichen in unserem Kreisgebiet war ich entsetzt. Ein glücklicherweise ganz kleiner Teil der Ausschussmitglieder stritt das Vorhandensein anderer Sexualität als zwischen Mann und Frau ab. Ein größerer Teil -und das war noch erschreckender- meinte, dass man nur die Pubertät abwarten sollte und dann würde sich das „Anderssein“ von alleine regeln.
Ich verspreche aber hier, dass ich weiter dafür kämpfen werde, dass wenigstens der Vortrag der NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ 2016 auf die Tagesordnung des Jugendhilfeausschusses kommt.
Auf das O-Erlebnis, wenn Herr Diekmann von der Wichtigkeit des Themas überzeugt wird, freue ich mich jetzt schon.
Beim P komme ich selbstverständlich zum Personalrat der Kreisverwaltung. Auch hier scheint es etwas „hinterwäldlerisch“ zuzugehen. Ich hätte ja gerne etwas zum Stellenplan 2016 vorgetragen, aber ich weiß nicht, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung zur personellen Situation zu sagen haben.
Es ist aus meiner Sicht Rechtsbeugung, wenn dem Personalrat untersagt wird, eine Stellungnahme zum Stellenplan zu schreiben, der den Fraktionen frühzeitig zur Verfügung gestellt wird.
Ich werde dem Landrat im Anschluss meiner Rede ein Exemplar des Landespersonalvertretungsgesetzes zur Verfügung stellen. Da kann er dann auch nachlesen, dass der Landrat zweimal im Jahr den Personalrat über die Haushaltsplanung und die wirtschaftliche Entwicklung informiert oder einen Wirtschaftsausschuss einrichtet.
Aber im Reich von König Karl ist anscheinend einiges anders!
Vielleicht muss ich mich im kommenden Sommer entgegen Ihrer Bitte beim Firmenlauf unter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mischen, um etwas mehr über die Personalsituation zu erfahren.
Zum Q kann ich nur sagen, dass ich mich bei manchen Sitzungen des Kreistages und einiger Ausschüsse wie im Quatsch-Comedy-Club des Friedrichstadtpalastes Berlin fühle. Nur da muss man Eintrittsgeld dafür bezahlen.
Beim Buchstaben R wollte ich zuerst etwas zum Mülltourismus der R.A.B.E-Abfallaufbereitungs-GmbH sagen.
Ich glaube aber, dass Dr. Schneider auch nicht gerne möchte, dass Müll durch das ganze Land und hin- und hergeschickt wird.
Deshalb komme ich kurz zu einem weiteren Thema aus meiner letzten Haushaltsrede.
Auch wenn sich die Aktie in den letzten Tagen leicht erholt hat, sollte der HSK-Beteiligung an der RWE schnellstens ein Ende bereitet werden.
Machen wir jetzt kurz einen Ausflug zur See, um das S abzuarbeiten. Das niederschwellige Jugendhilfeangebot des Kinderkurheims in Norderney wird von mir positiv gesehen und sollte daher langfristig erhalten bleiben. Aber die Finanzierung kann nur gesichert werden, wenn noch mehr Jugendämter in unserer Region die Notwendigkeit für kurzfristige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen bei familiären Krisensituationen sehen, um überforderten Eltern etwas Zeit zum Innehalten zu geben. Ich unterstütze daher die Bemühungen des Jugendamtes, nach Beendigung der Gebäude-Renovierung offensiv für das Angebot zu werben.
Beim S wäre von mir zusätzlich nur noch kurz anzumerken, dass man auf unserer Internetseite nachlesen kann, welche Kreistagsmitglieder für die Steuerverschwendung beim Ausbau des Sauerland-Museums verantwortlich sind. Zwischendurch kann man das Gefühl bekommen, dass das Angebot nach so langer Baupause in der Bevölkerung gar nicht mehr vermisst wird.
Ich komme jetzt zum T wie Technik und teuer. Ich freue mich, dass wir als Kreistagsmitglieder jetzt mit digitaler Technik ausgestattet sind und das viele Papier so schnell wie möglich nicht mehr verschickt werden muss. Aus meiner Sicht sollte aber nicht mit dem Argument „zu teuer“ verhindert werden, wenn jemand im Einzelfall noch Papierexemplare bekommen möchte. Der Kreistag besteht ja aus vielen Mitgliedern, die in Ihrer Jugend nicht mit Computern aufgewachsen sind.
Beim Buchstaben U fiel mir sofort das Thema „Kosten der Unterkunft“ ein. Natürlich sehe ich auch, dass es ein sehr großer Etatposten ist. Aber ich schließe mich den Norddeutschen an und sage „Wat mutt, dat mutt“!
Die Kreisverwaltung scheint das aber etwas anders zu sehen und setzt den Ermessensspielraum sehr niedrig an, was dann natürlich zu mehr Klagen der betroffen Menschen führt. Und das wiederum erhöht die Kosten für die Prozesse, die dann häufig der Kreis zu tragen hat. Das „Rechthaben“ scheint wichtiger als der „bedürftige Mensch“ zu sein!
Meines Erachtens sollte der Haushaltsansatz im Hinblick auf die vielen neuen Einwohnerinnen und Einwohner schon jetzt etwas erhöht werden. Hier kann man die schönen Worte zur Integration der Flüchtlinge auch mal konkret umsetzen.
Machen wir nun einen Schwenk nach Winterberg und sind somit beim W und nochmals beim V, da es um die „Veltins-Arena“ geht. Der Name für den Eiskanal sollte doch vom größten Geldgeber genommen werden, oder nicht? Und warum heißt die Sportstätte dann nicht „Kreistags-Arena“?
Herr Landrat,
ich glaube Sie haben mittlerweile mitbekommen, dass wir Linken uns kein X für ein U vormachen lassen. Damit wäre dieser Buchstabe auch abgehandelt.
Beim Y fällt mir nur Andrea Ypsilanti aus dem hessischen Landtag ein.
An dieser SPD-Frau sollten sich einige Mitglieder der hellroten Nachbarfraktion ein Beispiel nehmen. Die hatte nicht so viele Berührungsängste mit uns Linken.
Ich hoffe, ihr traut euch 2016 noch häufiger, bei unseren Vorlagen zustimmend den Arm zu heben, um den Konservativen hier im Saal zu zeigen, wo der „Hammer hängt“.
Jetzt komme ich zum letzten Buchstaben des Alphabets, dem Z wie Zustimmung zum Haushalt 2016.
Hier muss ich Sie aber wieder enttäuschen wie im letzten Jahr. Meine Fraktion wird den Entwurf natürlich wieder ablehnen.
Ich bedanke mich bei allen Zuhörerinnen und Zuhörern hier im Saal für Ihre Aufmerksamkeit bei der Reise durch das Alphabet der linken Kommunalpolitik.
Vor allem aber bedanke ich mich bei denen, die zwischendurch innerlich Beifall geklatscht haben, weil sie sich das laut und offen vor der eigenen Fraktion nicht getraut haben.
Auch ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen im Kreistag und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung ruhige und besinnliche Momente in den Tagen bis zur Jahreswende. Kommen Sie gut ins Neue Jahr!
Dietmar Schwalm
Autor:Dietmar Schwalm aus Arnsberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.