Antrag an den Jugendhilfeausschuss zur Situation nicht-heterosexueller junger Menschen im Hochsauerlandkreis

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Sehr geehrter Herr Landrat,

die „Fachstelle für LSBT* Jugendarbeit in NRW“ (Landesgeschäftsstelle des Schwulen Netzwerks NRW; http://schwules-netzwerk.de/jugendfachstelle/) unterstützt und stärk vorhandene Initiativen & Gruppen von jungen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*Menschen, wenn diese vorhanden sind. Dort wo es keine Angebote gibt unterstützt die Fachstelle bei der Initiierung.

Eine weitere vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport geförderte Einrichtung für nicht-heterosexueller junge Menschen ist die NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ (http://gerne-anders.de/). Sie unterstützt Fachkräfte, Einrichtungen, freie Träger und Kommunen darin, junge Lesben, Schwule und Bisexuelle verstärkt als Zielgruppe der Jugendarbeit/Jugendhilfe in den Blick zu nehmen, bedarfsgerechte Angebote für sie zu gestalten, Zugangsbarrieren bei bestehenden Angeboten abzubauen und Maßnahmen zum Abbau gegen Heterosexismus und Homophobie zu ergreifen.

Die Sensibilisierungs- und Fortbildungsangebote der NRW- Fachberatungsstelle „gerne anders!“ richten sich an haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen bei öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, in Jugendverbänden, Jugendeinrichtungen, Jugendberatung und Jugendpolitik. Zielgruppe sind also MitarbeiterInnen der Jugendarbeit/Jugendhilfe, der Träger, der Verwaltung und der Politik.

Um abzuklären, ob es sinnvoll ist, die Angebote dieser Fachberatungsstellen auch im Hochsauerlandkreis zu nutzen, sollte zuerst eine Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der nicht-heterosexuellen Jugendlichen in unserem Landkreis stattfinden.

Ich beantrage daher die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Situation nicht-heterosexueller Jugendlicher im Hochsauerlandkreis“ für die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses und bitte um die Beantwortung folgender Fragen in der Ausschusssitzung:

1. Welche speziellen (Unterstützungs-)Angebote gibt es im Hochsauerlandkreis für nicht-heterosexuelle Jugendliche und deren Familien?

2. Liegen in den Jugendeinrichtungen im Kreis Informationsmaterialien zu gleich-geschlechtlichen Lebensformen und besonderen Angeboten für nicht-heterosexuelle Jugendliche aus? Können die MitarbeiterInnen betroffenen Jugendlichen weiterhelfen, etwa mit Kontaktdaten von Beratungsstellen, Internetadressen, etc.?

3. Gibt es im Jugendamt oder bei freien Trägern AnsprechpartnerInnen, die sich speziell mit sexuellen Vorurteilen, Homophobie und Heterosexismus sowie den besonderen Lebenssituationen von nicht-heterosexuellen Jugendlichen beschäftigt haben? Gab oder gibt es entsprechende Fortbildungsveranstaltungen?

4. Gibt es einen Austausch / eine Zusammenarbeit der Jugendämter im Hochsauerlandkreis in diesem Bereich?

Mit Blick auf die eingangs genannten Zuständigkeiten der NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ und der Fachstelle für LSBT* Jugendarbeit in NRW beantrage ich weiterhin, für diese Sitzung eine/n Referenten/in der NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ oder der Fachstelle für LSBT* Jugendarbeit in NRW einzuladen. Sollte das zeitlich nicht möglich sein, beantrage ich dieses für die folgende Sitzung des Jugendhilfeausschusses.

Antrags-Begründung:

Bereits im Jahr 2003 beschloss die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: „Sexuelle Orientierung ist ein relevantes Thema der Jugendhilfe“.

Gemäß § 1 (3) SGB VIII ist die Jugendhilfe verpflichtet, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen.

§ 4 des dritten Ausführungsgesetzes KJHG NRW sagt dazu: „Bei der Ausgestaltung von Angeboten …sollen (Träger der öffentlichen & freien Jugendhilfe) unterschiedliche Lebensentwürfe, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten als gleichberechtigt anerkennen.“

Die Jugendhilfe ist damit auch aufgefordert, das Thema sexuelle Orientierung von jungen Menschen und ihren Eltern als einen wichtigen Aspekt in ihren Angeboten und Maßnahmen aufzugreifen.

Im Hochsauerlandkreis gibt es laut Bevölkerungsstatistik (Zensus 2011) rund 31511 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis einschließlich 24 Jahren. Ausgehend davon, dass 5-10% der Menschen schwul/lesbisch sind, leben im Hochsauerlandkreis zwischen 1576 (5%) und 3151 (10%) junge Lesben und Schwule. Häufig sind junge nicht-heterosexuelle Menschen in der Jugendarbeit nicht sichtbar, weil sie Orte, an denen sie Beschimpfungen befürchten ("schwul" wird unter Jugendlichen als Schimpfwort oder Synonym für etwas Falsches, Defektes benutzt) meiden.

Nicht-heterosexuelle Jugendliche leiden vielfach unter Vorurteilen und Ablehnung. Sie müssen sich stärker als heterosexuelle Jugendliche mit dem Widerspruch zwischen den eigenen Gefühlen und den gesellschaftlichen Normen auseinandersetzen. Isolation, Ausgrenzung, Ablehnung, Einsamkeit, Essstörungen, erhöhte Suizidgefahr, Störungen im Sozialverhalten und ein vermindertes Selbstwertgefühl sind mögliche Folgen für nicht-heterosexuelle Jugendliche - besonders in ländlichen Regionen. Gerade dort ist deshalb professionelle Unterstützung gefragt, wenn Jugendliche aus der Anonymität heraustreten wollen.

Das Land NRW hat dies erkannt und fördert daher u.a. das Modellprojekt „together niederrhein“. Im Rahmen dieses Modellprojektes wurden beispielsweise im Kreis Kleve Beratungs- und Freizeitangebote für die Zielgruppe initiiert und organisiert.

Mit freundlichem Gruß

Dietmar Schwalm
(Fraktionsvorsitzender)

Autor:

Dietmar Schwalm aus Arnsberg

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