Mein bester Kumpel hat immer eine kalte Schnauze

Tier öffnen Herz und Mund | Foto: Simone Kern - RBS
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Eine Reportage von Linda Mutzenbach.

Als Kind hatte ich nur einen Wunsch: Einen eigenen Hund. So wie viele Kinder lag ich über Wochen und Monate meinen Eltern mit diesem Wunsch in den Ohren. Niemals werde ich den Tag vergessen, an dem meine Eltern nachgaben. Ab diesem Zeitpunkt sehnte ich den Tag herbei, an dem mein kleiner Freund endlich bei mir einzog.

Die Freundschaft zu meinem Hund Henri wuchs von Tag zu Tag. So wie mein Henri schon längst nicht mehr die Welpenstunde besuchte, so begann ich Erwachsen zu werden und überlegte mir, was ich in Zukunft beruflich machen könnte. Bis ich meine damals noch sehr kleine Cousine beobachtete, wie sie in aller Ruhe, unbeobachtet von ihrer Mutter, auf meinen Hund zukrabbelte. Kaum hatte sie Henri erreicht, streckte sie die Hand nach ihm aus und streichelte ihn am Bauch. Daraufhin drehte sich der schwarze Fellberg auf den Rücken und genoss das herrliche Kraulen. Meine Kleine Cousine, die bis dahin nur Hunde aus ihrem Buggy von Weitem gesehen hatte, wusste scheinbar sofort, wo der große Hund am liebsten gestreichelt werden wollte. Diese Beobachtung lies mich nicht mehr los. Dieser Moment zwischen dem großen Hund und dem kleinen Mädchen war etwas ganz besonderes. Zwei so verschiedene Lebewesen, die sich noch nie zuvor gesehen hatten, hatten nicht nur keine Angst voreinander gehabt, sondern konnten sich gegenseitig bereichern.

Ab diesem Tag war mein Interesse geweckt und der Berufswunsch fest: Ich werde etwas mit Menschen und Tieren machen. Intensiv beschäftigte ich mich nicht mehr nur mit der Erziehung meines Hundes, sondern auch mit der wundersamen Verbindung, die zwischen Kindern und Tieren bestehen kann. Ich bekam Möglichkeiten, Erfahrungen mit meinem Hund und Kindern zu sammeln in Kindergärten und Schulen. Mich faszinierte die Erkenntnis, dass sich Kinder schnell von Tieren begeistern lassen. Auch Kinder, die zunächst nicht sonderlich interessiert waren, entwickelten in der Zeit meiner Besuche dies zunehmend. Tätigkeiten, die auf den erstem Blick für Kinder wenig interessant sind, werden mit der Anwesenheit eines Hundes spannend. Aufgaben, die Kindern aufgrund von Defiziten schwerfallen, werden mit Hund zur Herausforderung. Der Hund schaut nicht auf die Schwächen der Kinder. Er gaukelt ihnen nicht vor, dass er sie mag. Er nimmt sie so wie sie sind, versucht nicht sie zu verändern. Er ist immer ehrlich. Nicht nur ich hatte als Kind diesen großen Wunsch eines Freundes, der immer für mich da ist und sich niemals gegen mich stellt. Bei Kindern, die ich mit Henri besucht habe, erfüllte sich dieser Wunsch für den Moment des Besuches und brachte ihnen so ein tolles Erlebnis. Kinder haben ein angeborenes Interesse an Tieren und der Natur. Es liegt an uns Erwachsenen, dieses Interesse zu fördern. So lernen die Kinder respektvoll mit der Natur umgehen.

Durch einen Schicksalsschlag ergaben sich Kontakte zum Alten- und Pflegeheim Haus Flammberg. Seitdem gehe ich mit meinem mittlerweile schon älteren Herren Henri in diese Einrichtung. Mit Vorurteilen behaftet stand ich bei meinem ersten Besuch vor den alten Menschen und überlegte mir, was diese wohl von mir erwarten. Garnichts! So einfach war die Antwort auf meine Frage. Diese Menschen, meist vom Alter gezeichnet, erwarteten nichts. Unsere Anwesenheit begeisterte. Naja ich muss gestehen, ich selber bin nicht die Attraktion, aber mein Begleiter. Der schon etwas ältere Hund, mit dem ich schon seit vielen Jahren ein gutes Team bilde, der ist für viele alte Menschen das Highlight der Woche. Der Hund erfüllt den Menschen nicht nur das Bedürfnis nach Nähe, da sie ihn streicheln und mit ihm kuscheln können, er stellt eine Brücke zur Außenwelt dar. Oft hat Demenz die Kommunikation zur Außenwelt stark eingeschränkt. Die Kommunikation mit dem Hund jedoch ist möglich, da dieser nicht über Worte kommuniziert, sondern über Gefühle und Empfindungen. Dies ist eine Sprache, die nicht nur meine Cousine damals schon sprechen konnte sondern, die auch noch von stark dementen Menschen gesprochen wird.

Der Hund weckt oft Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Menschen können sich auf einmal wieder an die Vergangenheit erinnern. Das ist für die meisten ein schönes Gefühl, denn wer eine Vergangenheit hat, der ist auch Jemand.

Dadurch, dass der Besuchshund Henri schon alt ist, und im Gegensatz zu meinem Nachwuchshund Toni nicht mehr so fit, oft Pausen braucht, die ich ihm selbstverständlich einräume, sehen die alten Menschen, dass Altern akzeptiert und respektiert wird. Es wird deutlich, dass Alte ein Recht auf mehr Ruhe und Langsamkeit haben. Dies kann bei den Besuchten zu einem Gefühl der Zugehörigkeit zur Gesellschaft führen. Tiere haben tolle Effekte bei Menschen, die ich hier nicht alle nennen kann. Es lohnt sich somit den Kontakt zu Tieren zu suchen.

Der Schutz des Tieres ist jedoch das höchste Gebot bei beratenden Kontakten. Es ist unverantwortlich, einfach so einen Familienhund mit in den Kindergarten zu schleppen oder die Hauskatze einem „Streichel-Martyrium“ im Altersheim auszusetzen. Tiere müssen langsam an ihr Einsatzgebiet gewöhnt werden. Menschen, die mit ihren Tieren Einrichtungen besuchen, sollten über ausreichend Fachwissen verfügen, um das Wohlbefindens Ihres Tieres nicht zu gefährden. Nur ein Tier, das Spaß hat und sich wohlfühlt, kann auch Freude und Wohlbefinden schenken.

Da die Menschen im Altersheim so gut auf meinen Hund ansprachen,habe s ich jetzt meine Abschlussarbeit des Studiums der Sozialen Arbeit über dieses Thema geschreiben. Man sieht: Ich habe meinen Traumjob gefunden!

Quelle: GenerationenMagazin SICHT - AUSGABE 48 - Seite: 33 / 34

Archivlink: http://www.arnsberg.de/zukunft-alter/sicht/sicht-048.pdf

Ein Interview mit Linda Mutzenbach finden Sie in diesem Video-Clip:

http://www.youtube.com/watch?v=kXFPF3kNypE&feature=player_embedded#

Ein ZDF-Video über Linda Mutzenbachs Besuch mit ihren zwei Hunden im St. Johannes Pflegezentrum in Arnsberg finden Sie hier:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1312202/Leben-mit-dem-Vergessen#/beitrag/video/1312202/Leben-mit-dem-Vergessen

FAZ- Ein Artikel von Mechthild Küpper über Linda Mutzenbachs Engagement in Arnsberg finden Sie in de FAZ- Frankfurter Allgemeine Zeitung unter folgendem Link:

http://www.arnsberg.de/zukunft-alter/presse/faz_die-ruehrende-stadt-20111008.pdf

Autor:

Marita Gerwin aus Arnsberg

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6 Kommentare

Marita Gerwin aus Arnsberg
am 26.02.2012 um 12:26

Lieber Lothar, dann maile ich Dir mal ein Beispiel für einen Welpenschule, die Linda Mutzenbach mit ihren zwei Hunden besucht hat, bevor sie in die Kindergärten und Senioreneinrichtungen gegangen ist. Den Link findest Du hier:

http://www.doolittle-dogwalker.de/hundeschule-arnsberg-welpenschule.htm

Manfred Kramer aus Dorsten
am 26.02.2012 um 12:26

Toller Bericht.
Tiere können manchmal sehr Überraschen, wenn sie die Menschliche Stimmung deuten können. Hunde und Katzen kuscheln dann gerne.
Beeindruckend was Tiere alles für den Menschen leisten können.
Wie geht der Mensch manchmal mit diesen Kreaturen um?

Der Bericht klärt auf, danke.

Marita Gerwin aus Arnsberg
am 26.02.2012 um 12:32

Der Schutz des Tieres ist jedoch das höchste Gebot bei Kontakten zu Kindern in den KITAS oder zu alten Menschen in Seniorenzentren. Es ist unverantwortlich, einfach so einen Familienhund mit in den Kindergarten zu schleppen oder die Hauskatze einem „Streichel-Martyrium“ im Altersheim auszusetzen. Tiere müssen langsam an ihr Einsatzgebiet gewöhnt werden. Menschen, die mit ihren Tieren Einrichtungen besuchen, sollten über ausreichend Fachwissen verfügen, um das Wohlbefindens Ihres Tieres nicht zu gefährden. Nur ein Tier, das Spaß hat und sich wohlfühlt, kann auch Freude und Wohlbefinden schenken. Dazu ist es ratsam, zunächst eine Sensibilisierung und Schulung in den Welpen- und Hundeschulen zu besuchen, wie Linda Mutzenbach es vor ihrem Engagement gemacht hat.

Siehe mein Kommentar vom 26.02.2012 um 12.18 Uhr