Monolog eines alten Schauspielers

Ich war immer ein Schauspieler, der Angst hatte den Einsatz zu verpassen. Und oft tastete ich mich geradezu an die Sätze heran, als müsste ich jedes Wort, das ich sagen wollte, überprüfen, um gleichzeitig meine Gedanken immer wieder zu korrigieren. So wie ich mit den Worten umging erinnerte ich vermutlich an eine Frau, die sich immer wieder verzweifelt fragt:
Was soll ich anziehen? - um dann aufs Neue ihren Kleiderschrank von unten nach oben zu räumen.
Aber diese Angst, dass der Vorhang aufging und ich meinen Text vergessen haben könnte, verfolgte mich bis in meine Träume. Denn jeder Buchstabe, der ein Wort zusammenhält, ist wie ein Neuanfang.
Aber mich überfällt in diesem Augenblick ein Gefühl des Nichts, das nach seiner Form verlangt. So, als ob ich die Sprache neu erfinden müsste.
Da schleicht sich schnell der „Zweifel“ und die „Unsicherheit“ in jeden Satz.
Und doch fühle ich mich wie ein Übersetzer, der dem Text nicht vorgreifen will, obwohl er schon im vorraus weiß, was folgt.
So entstehen zwanghafte Pausen.
Ich bin mir sicher, selbst in der letzten Reihe kann man dann hören wie ich schlucke. Denn meine Zunge klebt unter dem Gaumen, auch wenn ich immer wieder versuche meine trockenen Lippen abzulecken.
Dabei lächele ich verquält, als blickte ich in eine Kamera, während ich meinen Rücken durch drücke. Und oft denke ich:
Sonst ist deine Zunge schneller als dein Verstand. Denn wie oft redest du nur so einfach daher?
Aber hier auf der Bühne suche ich nach dem „Wort“, das mich, den Schauspieler, finden soll. Und ich sehne mich nach der einzig „wahren“
Situation, die den Sinn meines Lebens erschließt.
Und während ich noch immer Angst habe wie ein Stotterer vor dem ersten Wort, trete ich routiniert aus der Kulisse hervor und beginne gelassen meinen Text, während ich langsam in einen theatralischen Tonfall verfalle:
„Ich trage ein Herz mit mir herum, wie ein nördliches Land den Keim einer Südfrucht. Es treibt und treibt, und es kann nicht reifen. Seit ich mein Grab sah, will ich nichts, als leben und frage nichts mehr, ob es rühmlich sei!“... und während ich tief durchatme und in der Dunkelheit des Zuschauerraumes niemanden erkennen kann, denke ich:
Geht doch…

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.