Lest Leute, sonst seid Ihr verloren!

Das öffentliche Wohnzimmer | Foto: Kulturkreis DAS ZENTRUM Radstad
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  • Das öffentliche Wohnzimmer
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Mit diesem Zitat von Abdul Nachtigaller, Schlüsselfigur in Romanen von Walter Moers, eröffnet die Sommer-Lese-Lounge am Stadtplatz von Radstadt. Seit einigen Wochen beleben auf Initiative des Kulturkreises DAS ZENTRUM Radstadt große gelbe Sofas, Fauteuils und ein riesiger Sonnenschirm den neu gestalteten zentralen Stadtplatz. Eine alte Telefonzelle, rot gestrichen, ausgestattet mit Regalen und so zu einem Bücherschrank umfunktioniert, ist das Herzstück des öffentlichen Wohnzimmers. Gefüllt mit mehr als 300 Büchern aller Genres werden Besucher und Gäste zum Lesen, Verweilen, Plaudern eingeladen. Literaturzitate schmücken die Auslagen der Geschäfte rund um den Stadtplatz. Kleinere spontane Lesungen laden zu den unterschiedlichsten Tageszeiten zum Zuhören ein. Ein Vergnügen für Jung und Alt. Eine Oase im belebten Zentrum der Stadt. Diese temporäre Sommer-Initiative des Kunstvereins in Radstadt ist ein erster Schritt, um den neu getalteten Platz zu beleben. Er ist ein Raum für Begegnung, Kommunikation, Unterhaltung, Kunst, Kultur und vieles mehr. Ich hab´s während meiner Radtour erlebt. Es war großartig! Mitten in der Sommer-Lese-Lounge, ein „Street-Piano“ zum freien Spiel – zwischen 9 –21 Uhr. New York, London, Paris, Berlin – und jetzt in Radstadt, einer Kleinstadt im Salzburger Land. Ein ”Street-Piano” mit der Aufforderung an Jedermann: ”Play me, I´m yours!” Eine geniale Idee. Das erste Steet-Piano, was ich bisher erlebt habe. Unter dem Motto “komm spiel auf mir” ist dieses Musikinstrument in die Lese-Lounge integriert. Faszinierende und rührende Szenen spielen sich dort ab. Momente der Begegnung. Unvorhergesehen. Spontan. Witzig. Einmalig. Wunderbar.

Zuerst etwas ungläubig wagt sich eine junge Frau mit einem wippenden Pferdeschwanz an das Street-Piano heran. Mit Ihrem Zeigefinger prüft sie zaghaft, ob das Instrument wirklich Töne von sich gibt. Sie klimpert die Tonleiter rauf und runter „c-d-e-f-g-a-h-c“. Tatsächlich. Ein echtes Piano. Unglaublich. Mitten auf dem Platz. Sie ergreift die Initiative und spielt gekonnt und professionell drei fetzige Songs von den Beatles „yesterday, op la di, op la da, life is crazy und yellow submarine“. Applaus. Strahlende Gesichter. Für einen Moment halten die Vorbeieilenden inne. Hören zu, klatschen, wippen mit den Füßen und schnipsen mit den Fingern im Takt. Gut gelaunt ziehen sie nach diesem kurzen Zwischen-Spiel weiter. Eilen, hasten, rennen. Die Zeit aufholen. Andere genießen in aller Ruhe und Gelassenheit ihr Eis, ihren „Coffe to go“, den sie sich in der Bäckerei nebenan schnell geholt haben, lesen eine Illustrierte, die Tageszeitung, die sie aus dem öffentlichen Bücherschrank ausgeliehen haben. Eine ältere Dame rauscht mit ihrem sportlichen Fahrrad herbei. Parkt direkt vor der roten Telefonzelle. Greift in den Korb auf dem Gepäckträger, holt drei Bücher und eine Mode-Zeitschrift heraus, legt sie ohne viele Worte in das öffentliche Bücherregal und nimmt gleichzeitig neuen „Lesestoff“ mit nach Hause. Freudestrahlend steigt sie auf´s Rad und radelt davon. Inzwischen hat bereits ein sympatischer Herr am Street-Piano Platz genommen, rückt den Schemel zurecht und intoniert voller Inbrunst das Stück „Geben sie dem Mann am Klavier, noch ein Bier, noch ein Bier!“ Eine ältere Dame schmunzelt und singt dazu „sagen Sie ihm, es wäre von mir, es wäre von mir!“ Ihre Blicke treffen sich. Augenzwinkernd singen beide weiter. Eine spontane, flüchtige Begegnung. Eine nette Geste. Ein Lächeln. Wunderbar.

Die Sommer- Lese-Lounge - natürlich Video überwacht- als öffentliches Wohnzimmer, die rote Telefonzelle als Bibliothek und das Straßen-Piano zum Spielen für Jedermann; wunderbare kreative Ideen, um Menschen spontan miteinander in Kontakt zu bringen. Ein Lächeln in die Gesichter zu zaubern. Nach New York, London, Paris, Berlin, Radstadt- nun vielleicht bald auch in Arnsberg, Menden oder Harsewinkel? Ich würd mich freuen!

Kunst ist kein Luxusmittel, sondern eine wichtige geschichtliche Form des gesellschaftlichen Umgangs der Menschen untereinander. (Rosa Luxenburg)

Weiter Infos und Fotos zur Sommer-Lese-Lounge-Radstadt im Internet unter: www.daszentrum.at

Fotos: Kulturkreis DAS ZENTRUM Radstadt

Autor:

Marita Gerwin aus Arnsberg

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11 Kommentare

Marita Gerwin aus Arnsberg
am 22.12.2012 um 09:07

Hallo Mac, regs doch mal an. Ein "Offener Bücherschrank" auf dem Marktpatz in Goch ist genial für die Kommunikation. Umrahmt im Sommer mit kulturellen Aktionen kann es sich zum echten Komunikationsort mausern.

Auf meiner LK Seite in der Reportage "BOOK BOX BOKS - Neue Orte für Bücher" findest Du ja die Kontaktdaten von dem Ideengeber und Entwickler Heinz-Jürgen Greve, dem Architekten aus Köln, der den 100. "Offenen Bücherschrank" in der letzten Woche seinem Heimatort Herdringen geschenkt hat. Ein tolles Projekt!

Den Link dazu findest Du hier:

http://www.lokalkompass.de/arnsberg/kultur/book-box-bokx-neue-orte-fuer-buecher-d244051.html/action/lesen/1/recommend/1/

Gottfried (Mac) Lambert aus Goch
am 22.12.2012 um 16:50

... danke, liebe Marita, ich werde es mal weiterleiten ... aber die Gocher sind ein Völkchen für sich ...

Dir, deinen Lieben und der "Sicht"-Mannschaft wünsche ich friedvolle und frohe Weihnachtstage ...

Marita Gerwin aus Arnsberg
am 22.12.2012 um 22:21

Danke Mac, das wünschen wir Dir auch: Frohe Feiertage!!