Die Sehnsucht der Worte

Irgendwann beschloss er die Kommunikation mit seinen Mitmenschen auf das Notwendigste zu reduzieren. Und ich vermute er sprach vor allem mit seinem Computer, weil der ihn verstand.
Aber wenn Sie denken, wir sollten ihm ein Haustier schenken, kann ich nur davon abraten. Dafür kenne ich ihn schon zu lange.
Kurz, in jedem Menschen steckt die Sehnsucht nach dem Einzelgänger.
Ich kann das akzeptieren.
Davon lebt der Krimi oder Western. Nur der Film-Held allein ist in der Lage den kleinsten, gemeinsamen Nenner, an den sich die Gesellschaft glaubt halten zu müssen, zu überwinden.
Im alten Griechenland allerdings betrachtete man diesen Typus von Mensch, den Einzelgänger, eher mit Skepsis. Denn man glaubte im Einzelgänger die Anlage einer diktatorischen Persönlichkeit zu erkennen.
Aber eine Gesellschaft, die ständig eine harmonisierende Grundstimmung einklagt, hat zeitweilig einen faden Beigeschmack. Da wird der Einzelgänger gelegentlich zu einem „Paradiesvogel“, dem man nur raten kann auf den nächsten Baum zu fliegen.
Kurz, er liebte die Bildersprache, die in seinem Kopf ihre Ergänzung suchte. Und er sehnte sich geradezu nach dieser pastoralen Idylle, wenn er vor seinem Computer saß wie vor einem Bildaltar.
Und gelegentlich fühlte er sich wie ein Eremit, der bewegungslos auf seinem Stuhl saß wie eine Statue. Die Statue eines herrischen Gottes, dessen Blick sich in der Weite des Datenuniversums verlor.
Und selbst, wenn er nicht wusste, was sich gerade in seinen Träumen abspielte, so konnte er trotzdem nichts an dieser Handlung ändern.
Wenn er dann aber das Klicken seiner Tastatur hörte, dann wusste er:
Ab jetzt war mit Allem zu rechnen.
Denn mit Worten ließen sich Phantasiewelten errichten. Da konnte man sich nur fragen, warum Gott diese Welten nicht erschaffen hat?
War das nicht Grund genug die Schöpfungsgeschichte mit weiteren Kapiteln zu ergänzen? Das wäre immerhin eine Art von ästhetischem Gottesbeweis, dachte er. Denn auch die Worte sehnten sich danach, dass sie einer erkannte. Denn immerhin:
„Am Anfang war das Wort…“

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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