Die kleine Raupe Nimmersatt von Eric Carle
... um Futter zu suchen. Die kleine Raupe Nimmersatt.
Schwarzlichttheater. Eine wundersame Welt der Farben und Effekte inmitten völliger Dunkelheit umfängt mich. Überall bunte Tücher, Reifen, weiße Handschuhe, flatternde Bänder und neonfarbene Kartons, aus denen ein fantasievolles, wundersames Schwarzlichttheater entsteht. In einem Nachbarraum wird der Musiksong komponiert und intoniert. Überall begeisterte Gesichter und strahlende Augen! Ein Gewusel überall. 50 große und kleine Schauspieler, Musikanten und Kulissenbauer sind am Werk. Niemand fragt hier nach dem Alter! Die Akteure, allesamt zwischen 5 und 87 Jahre. Jeder kennt seine Rolle, weiß, was er zu tun und zu lassen hat. Unglaublich, was ich hier sehen, hören und erleben darf.
Mein erster Weg führt ins Tonstudio nebenan. Ich blinzle und lausche hinein. Dumpf fällt die Tür hinter mir ins Schloss. Mich umgiebt eine vollkommene Ruhe. Umweltgeräusche sind ausgesperrt. Jakob, Uwe und Markus bereiten sich hoch konzentriert auf die Tonaufnahme vor. Ich bin gespannt, was ich hier erleben werde, Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Sie registrieren mich gar nicht. Und das ist gut so. Still beobachte ich das Geschehen.
„Oh, was ist das klein hier, ich dachte das sei viel größer, so wie im Fernsehen!“, staunt der 5-jährige Jakob, als er zusammen mit seinem 70 jährigen Paten Uwe im professionellen Tonstudio steht, um die Sprecherrolle für das Schwarzlichttheater „Die kleine Raupe Nimmersatt“ einzuspielen. Jakob hat seinen Text auswendig gelernt – denn lesen kann er ja noch nicht. Geheimnisvoll flüstert er ins Mikrophon „Eines Nachts im Mondschein lag auf einem Blatt ein kleines Ei. Und als die Sonne aufgeht, hell und klar, schlüpfte – knack …knack … knack – aus dem Ei eine kleine hungrige Raupe."
Uwe mit seiner sonoren Stimme übernimmt: „Sie machte sich auf den Weg, um Futter zu suchen. Am ersten Tag fraß sie sich durch einen Apfel...“, bis zum Schuss der Geschichte Jakob mitfühlend und mitleidend feststellt: “An diesem Abend hatte sie fürchterliche Bauchschmerzen!“ Perfekt. Die Tonaufnahmen sind im Kasten. Es hat reibungslos geklappt. Beeindruckend, wie professionell sie als Sprecher-Tandem zusammen arbeiten.
Die Premiere im Kulturzentrum steht unmittelbar bevor. Endlich ist es so weit. Wochenlang haben die drei- bis sechsjährigen Knirpse der Städtischen KITA in Bruchhausen und ihre Senior-Paten gewerkelt, gebastelt, getextet, gepinselt, geschraubt, getanzt, geprobt und gelacht. Nun warten alle auf den großen Moment – auf die Premiere!
Generalprobe – heute kommt´s drauf an: Sind alle Kulissen an Ort und Stelle? Stimmt die Choreographie? Verpassen die jungen Musiker mit ihrem Cello und den Rhythmusinstrumenten auch nicht ihren Einsatz? Wo ist die Sonne? "Oh, nein – ich habe einen schwarzen Handschuh verloren! Klappt es mit der Tontechnik?" Irgendwie chaotisch ist es. So recht weiß keiner mehr, wo es lang geht. Nur die vier niedlichen Ballerinas stört all die Hektik nicht. Sie tanzen und tanzen und wiegen sich mit ihren bunten Tüllröckchen selbstverliebt im Takt der Musik. Sie strahlen und vergessen die Welt um sich herum. Greta, die Jüngste von ihnen mit ihren braunen Kulleraugen erobert unsere Herzen im Nu.
„Stimmt die Choreographie?“ Die gutgelaunte Nora und Regina machen allen Mut. „Es wird schon – irgendwie – morgen klappen. Wir sind kein Profi-Theater. Vielleicht versprühen kleine Patzer auch ihren ganz besonderen Charme!“
Der ruhende Pol in all dem temperamentvollen Geschehen ist Ulla Hüser. Wie es allerdings in ihrem Inneren aussieht, wage ich nicht zu beurteilen. Sie hat die Idee, führt Regie, schreibt die Texte, behält den Überblick. Ulla hier, Ulla da, Ulla dort…. Wo nimmt sie nur ihre Zuversicht her, dass morgen in der Premiere alles passt. Ich weiß nicht, wer aufgeregter ist, die kleinen Zwerge oder die gestandenen Patinnen und Paten, zwischen 65 und 87 Jahren. Alina hüft munter wie in ihrer Jugend über die Bühne und summt leise die Melodie vor sich hin „...und sie macht sich auf den Weg, um Futter zu suchen...“, greift zur Libelle und schwingt sie durch die Luft. „Eine liegende Acht“, schießt es ihr durch den Kopf. Genauso wie Heinz, Anni, Georg, Luise und Simona ihre bunten Käfer und Insekten zum Leben erwecken. Überall bunte Tupfer in der ansonsten völlig schwarzen Welt. Faszinierend anzuschauen. Da, ein verzweifelter Schrei von Nora „Wo verstecken sich denn schon wieder die Hummeln, die Marienkäfer und der Eisvogel?“. Im Stockdunkeln lässt sich nur erahnen und ertasten, wo die liegen könnten. Ein wenig orientierungslos tapsen Lothar und Marlies im Dunkeln herum. „Hier! Wir haben die Mareinkäfer doch schon in der Hand. Guck mal, wie schön die leuchten“.
Die Kinder krabbeln auf allen Vieren an den bunten Blumen vorbei. Die Techniker Markus und Jan-Philipp spielen die Musik ein. Wie gebannt stehen plötzlich alle an ihrem Platz, wissen worauf es ankommt. Herbert mit seinen 82 Jahren. liest seine Geschichte vor, die er nachts um Vier getextet hat, als er partout nicht mehr einschlafen konnte. Irgendwie raubt die Kleine Raupe Nimmersatt allen den Schlaf. Außer den Kindern. Sie vertrauen auf sich, haben keine Zweifel. Sie können es gar nicht abwarten, auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten.
Premiere – der lang ersehnte Tag ist endlich gekommen! 600 große und kleine Gäste lassen sich entführen in die faszinierende Welt des Schwarzlichttheaters. 50 große und kleine Schauspieler überzeugen das begeisterte Publikum. Ein Fest für die Sinne. Applaus – das Brot eines jeden Künstlers verzaubert und tut soooo gut! Aufregung und Lampenfieber sind vergessen. Lachen, weinen, gerührt sein. Entrückt in eine andere Welt. Eine Stunde lang großes Theater in Arnsberg.
Schmetterlinge auf der Bühne und im Bauch. Ein Generationen-Dialog par excellence! Eine Freundschaft zwischen Jung und Alt ist in den vergangen Monaten entstanden, die durchs Leben trägt. Danke an alle Beteiligten für die Kreativität, Fantasie und den Mut, dieses Experiment zwischen den Generationen zu starten. Toll gemacht!
Danke an alle Akteurere für meinen "Blick durchs Schlüsselloch", hinter die Kulissen. Ich habe eine faszinierenden Theaterwelt kennengelernt, die ich niemals vergessen werde. Es war wunderschön!
http://www.bildungsstadt-arnsberg.de/bildung/fruehe-bildung/bildungspartnerschaften/generationsuebergreifende-kooperation/schwarzlichttheater-kita.php
Eine Lesung von Eric Carle finden Sie hier:
http://www.youtube.com/watch?v=6BfGONXVToA
http://www.youtube.com/watch?v=QRQAUIO4trA
Autor:Marita Gerwin aus Arnsberg |
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