Kirche und Sexualität

Über 100 Interessierte verfolgten am Dienstag, dem 20. April das Podiumsgespräch im St. Ursula-Gymnasium in Neheim zum Thema "Kirche und Sexualität". Alle im Podium beteiligten waren aufgefordert, zu folgendem Zitat Stellung zu nehmen:

„Das Religiöse und das Geschlechtliche sind die beiden stärksten Lebensmächte. Wer sie für ursprüngliche Widersacher hält, lehrt die ewige Zwiespältigkeit der Seele. Wer sie zu unversöhnlichen Feinden macht zerreißt die menschliche Seele.“

Hier einige Zitate:

Notker Klann, Ehebarater und für die deutsche Bischofskonferenz als Ausbilder von Eheberatern tätig:
Wenn beide Bereiche (Religiosität und die Sexualität) ausschließlich unter der Mangelsituation betrachtet werden, zeigt sich, dass im „Störungsfall“ entweder die Sexualität und / oder die Sinnfrage/Spiritualität zu den häufigen Problemfeldern gehören, die in einer Partnerschaft vorkommen (Klann, 2002). Positiv gewendet bedeutet dies, dass die einzelne Person und das Paar gemeinsam aus diesen Lebensbereichen für sich viele Erfahrungen und Impulse gewinnen können, die persönliches und gemeinschaftliches Wohlbefinden und „partnerschaftliches Wachstum“ hervorbringen. Dies gilt sowohl für die Selbstwahrnehmung wie auch für das Erleben von Wertschätzung und Gemeinsamkeit. Gleichzeitig ist mit beiden Lebensfeldern die Möglichkeit verbunden, die persönliche Erfahrungsdimension mit dem Partner / der Partnerin auszutauschen, was dazu beitragen kann, dass die eigene „Sichtweise und das Verständnis der Realität“ modifiziert, ausgeweitet und gegebenenfalls auch „überstiegen“ werden kann.

Hedwig Epping, Sozialpädagogin:
Die Gebote der Kirche – oft von den Katholiken als Verbote missverstanden – möchten Leitlinien für unser Leben sein. Ich habe am Beispiel der natürlichen Familienplanung selbst erfahren, dass dieses Gebot der Kirche ein Leben in größerer Fülle ermöglicht.
Meine Erfahrung und mein Glaube sagen mir, dass Gottes Barmherzigkeit größer ist als alle Vorschriften. Dies wurde mir in persönlichen Beichtgesprächen immer wieder bestätigt. Ich glaube uneingeschränkt an die Liebe Gottes zu mir und allen Menschen und daran, dass die Liebe kleine Sünden zudeckt.
Die Kirche hat ein Recht dazu, hohe ideale Forderungen aufzustellen und für ihre Einhaltung zu werben. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche aber auch öffentlich zu der Barmherzigkeit Gottes stehen darf und Menschen nicht verurteilt, die es nicht schaffen, dieses hohe Ideal zu leben.
Ehepaar Epping

Josef Epping, Lehrer:
Unsere Ehe und Liebe sind grundsätzlich auf die Weitergabe des Lebens ausgerichtet. „Weitergabe von Leben“ kann man in einem weiten Sinn verstehen. Der Satz, dass „jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens ausgerichtet bleiben muss“ (Humanae Vitae) ist unglücklich.

Auf der Grundlage einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Weitergabe des Lebens können wir als Eheleute selbst entscheiden, wie wir mit der Empfängnisregelung umgehen und welche Mittel wir dazu wählen. Gott hat den Menschen auch den Grips gegeben, damit sie gute Wege finden, wie die sexuelle Vereinigung nicht dauernd durch die Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft gestört und beeinträchtigt wird.

Wünsche an die Kirche:

* im Zusammenhang mit Sexualität weniger von Sünde reden
* eine „Lehre von der Sexualität“ nicht an grünen Tischen im Vatikan, sondern nur im Dialog mit Eheleuten formulieren
* ins Kirchenjahr ein „Fest der beglückenden Sexualität“ einfügen

Norbert Haack, ehemaliger Priester:

Wem es gelingt, das Religiöse und das Geschlechtliche sich ergänzen zu lassen, kann glücklich und authentisch leben. Er wird weder in seiner Seele Zwiespältigkeit noch Zerrissenheit erleiden müssen. Ich füge hinzu: Ein solcher Mensch muss aber eine sehr starke Persönlichkeit sein, um mit dieser Haltung in unserer Kirche ohne schlechtes Gewissen leben zu können.

Pfarrer Dietmar Röttger:
Was heißt es als Zölibatärer mit der Lebensenergie der Geschlechtlichkeit positiv zu leben?

Priester und Mönche sind Männer. Ordensschwestern sind Frauen. Oft von außen als Neutren und asexuell gesehen.
Sind durch unsere Geschlechtlichkeit und sexuelle Identität zutiefst geprägt. Bewusst annehmen.
Sexualität weiter zu fassen als mit jemanden zu schlafen: Lebensenergie die uns in Beziehung bringt, die uns lieben lässt, die zur Fruchtbarkeit drängt, die uns mit der Kraft unseres Schöpfers verbindet.
Wer meint er könne als Priester ohne Beziehungen leben, ohne es zuzulassen konkrete Menschen zu lieben auch mit erotischen Empfindungen, der wird innerlich tot. Der tötet auch das geistliche, das religiöse Leben in sich. Das ist eine tiefe Erkenntnis, die ich erst in den Jahren des Dienstes gemacht habe. Die innere Zusammengehörigkeit von der spirituellen Lebensenergie und der geschlechtlichen Lebensenergie. Frage des Umgangs mit Grenzen.
Die Wunde, des Fehlens der körperlichen Liebe mit einem anderen Menschen nicht verdrängen. Aus dieser Wunde sich auf die innere Verbindung mit Gott verweisen lassen. Ohne diese Beziehung zu Gott lässt sich Zölibat nicht fruchtbar leben und auch nicht erklären. Vielleicht fehlt auch deswegen das Verständnis, weil immer weniger diese Beziehung zu Gott erfahren.

Über schriftlich eingebrachte Fragen konnten sich die Besucher an der Diskussion beteiligen. Bei diesen Fragen lag, wie erwartet, der Schwerpunkt auf der aktuellen Debatte zum Thema "sexueller Missbrauch" und Umgang mit Homosexualität.

Wenn auch nicht alle Fragen beantwortet werden konnten, waren die Besucher doch angetan von der Offenheit der ReferentInnen und der durchaus vielseitig reflektierert Stellungnahmen zu den aufkommenden Fragen.

Autor:

Ulrich Schumacher aus Arnsberg

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