Kairo, Tahrir-Platz: Wer kann wissen, was passiert? Ägyptische Sehnsucht nach Frieden und Freiheit
3.500 Kilometer
fern der Heimat
Ägypter Hamed El Kady
sorgt sich um seine Familie
Seit 2002 lebt der studierte Sozialwissenschaftler und praktizierende Physiotherapeut in Witten. Und schon vor zwei Jahren, als massive Unruhen sein Heimatland erschütterten, sorgte sich Hamed El Kady während der Auseinander-
setzungen um seine in Ägypten lebende Großfamilie. Derzeit ist die Ungewissheit wieder zurückgekehrt.
Zwei Jahre nach dem "Arabischen Frühling" in Ägypten strömen sie wieder zu Tausenden zum symbolträchtigen Kairoer Tahrir-Platz. Viele Ägypter fühlen sich nach dem Ende der Ära Mubarak in ihrem leidenschaftlichen Kampf um demokratische Strukturen betrogen und werfen dem aus der Muslimbrüderschaft stammenden machtbewussten Präsidenten Mohammed Mursi vor, dass seine Regierung die Ideale von 2011 verraten hat.
Die Tage, als die Menschen in Kairo freudig und optimistisch in die Zukunft blickten, scheinen vorbei zu sein. Das gefürchtete Chaos kehrt zurück. Es gibt Demonstrationen, Verletzte, Vergewaltigungen und auch Tote. "Es wird immer schlimmer", sagen viele, die am Tahrir-Platz demonstrieren. Und auch Hamed EL Kady, den viele in der Ruhrstadt vor allem als Masseur der KSV-Ringer am Olympia-Stützpunkt Witten und des PV-Triathlon-Teams sowie des Fußball-Landesligisten SV Herbede kennen, ist derzeit sehr besorgt um seine Familie und die Zukunft seines Landes.
"Wer kann schon wissen, was alles noch geschieht?", fragt der verunsicherte Vater eines Sohnes und einer Tochter voller Sorge um seine Großfamilie, die im Nildelta zwischen Kairo und Alexandria in der 300.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt Tanta, der fünftgrößten Stadt Ägyptens, lebt und mit der er fast täglich per Telefon oder "Skype" kommunuziert. Aber auch viele Freunde, die in Kairo hautnah vor Ort sind, halten Hamed stets auf dem Laufenden.
"Der Tahrir-Platz, immer noch das Symbol für mich und meine freiheitsliebenden ägyptischen Landsleute, ist zum Ort des Schreckens geworden. Täglich kommt es dort zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die massiv gegen die überwiegend friedlich demonstrierenden Mursi-Gegner vorgeht. Im Zuge der Auseinandersetzungen ist die Brutalität und Kriminalität enorm gestiegen. Und es scheint, eine Kultur der Straffreiheit vorzuherrschen", gibt der aus verlässlichen Quellen gut informierte Hamed El Kady zu Protokoll.
3.500 Kilometer weit entfernt von seiner Heimat, kreisen die Gedanken des 37-jährigen Mannes "mit den begnadeten Händen" einerseits um die weitere Entwicklung der dramatischen ägyptischen Geschehnisse und andererseits natürlich zuvorderst um das von Unruhen und Demonstrationen betroffene Umfeld seiner Familie. "Tumulte und Ausschreitungen in allen Regionen nehmen kein Ende. Allerorten steigen die Preise rapide; und in vielen Zentren gibt es Plünderungen und Überfälle", teilt Hamed El Kady weiter mit. Und fügt hinzu: "Dabei sind wir ein Volk, das sich nach langen Jahren der Unterdrückung nach stabilen Verhältnissen sehnt und einfach nur in Freiheit und Frieden leben will."
Autor:Alfred Möller aus Witten |
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