Menden - anno 1829
Am Sonntag ist es endlich soweit. Menden aus der Zeit um 1829 (Urkataster) wird als Modell im Maßstab 1:300 ab 10.30 Uhr im Foyer des neuen Rathauses der Öffentlichkeit vorgestellt.
- Eine Einladung ins vorletzte Jahrhundert, bei der der Betrachter sich automatisch aufgefordert fühlt, die Historie mit heutigen Verhältnissen in seiner Heimatstadt zu vergleichen. Als erstes wird sich wohl jeder fragen: „Wo wohne ich heute?“ Viele Gebäude stehen trotz Bausünden der Vergangenheit noch heute, so daß aus der Darstellung von ganz alleine ein kleines Suchspiel wird. Somit wird sich für jeden Mendener der Besuch bereits am Eröffnungstag als lohnend erweisen.
Das Modell umfaßt 333 Gebäude. Einige weidende Kühe, Schafe und Pferde lassen das Modell lebendig erscheinen. Als kleines Problem stellten sich menschliche Figuren heraus, weil diese maßstabgetreu maximal anderthalb Zentimeter groß hätten sein dürfen.
Perfektion in Recherche und Umsetzung auf der einen Seite, Interpretationen auf der anderen, sollen sich nicht 100%ig auf das Jahr 1829 festlegen. „Überlebende der Zeit“ konnten schwerlich gefunden werden, so daß die Anlage also nur die Vorstellungen eines möglichen Stadtbildes soweit bekannt darstellt. So wurden Gebäude, wie z. B. die ev. Kirche ebenso in der Darstellung berücksichtigt wie das sog. Kessemeierhaus, beides erst ca. 5 Jahre nach 1829 erbaut. Um die unterschiedlichen Grundstücksgrößen darzustellen, wurden diese durch Hecken begrenzt dargestellt. Die verwendeten Bäume entsprechen nicht der damaligen Bepflanzung sondern sind das Ergebnis des vorliegenden Modellbauangebots und der freien Gestaltungswahl der Erbauer. Gebäude, für die keine Unterlagen ermittelt werden konnten, wurden an die umgebenden angepaßt.
Menden war im 18. und 19. Jahrhundert eine Stadt von Handwerkern. So finden sich Berufe wie Bäcker, Schreiner, Schuhmacher, Schneider, Tagelöhner, Fuhrmann, Gastwirt, Gießer, Handelsmann, Hausdiener, Landbriefträger, Manufakturwarenhändler, Maurer, Packer, Schmied, Tischler und Viktualienhändler. Gerade ein Drittel aller Familien besaß im Jahre 1829 Gärten. Garten- und Landwirtschaft dienten den Bürgern Mendens nur zur Bereicherung des Speisezettels und Entlastung der Haushaltskasse.
Die am Poenigeturm gelegenen beiden Fachwerkhäuser von Lillotte (zuletzt von Hesse und Wagener bewohnt) und gegenüber vom Schmied Lappe (zuletzt Fabry) zählten bis in die jüngere Zeit zu den vertrautesten Gebäuden eines inzwischen weitgehend zerstörten Altstadtviertels, das heute zugunsten des neuen Rathauses den Bausünden unserer Zeit zum Opfer fiel.
Entstanden ist das Werk gut gehütet in verschlossenen Räumen des Stadtarchivs. Insbesondere für Norbert Klauke war und ist diese Arbeit eine Herzensangelegenheit, die (wie er sagt: „rein zufällig“) zu seinem 25jährigen Jubiläum als Archivar der Stadt Menden fertiggestellt werden konnte. Nicht ohne berechtigten Stolz präsentiert er nun sein „Baby“, vergißt allerdings nicht all die fleißigen Helfer, die mit ihm gemeinsam ca. 2 ½ Jahre Recherche und Bauarbeit investierten.
Wichtigster und treuester Mitarbeiter war dabei Wolfgang Kißmer, der ihn in geschätzten 2.500 Stunden unterstützt hat. Wolfgang Kißmer lobte Georg Hanke (Mitglied im Seniorenmalkreis) für die naturgetreue Bemalung der Häuser, ohne die sich das Modell niemals so lebensecht darstellen würde. Diese Arbeitsleistung kann sich allenfalls erahnen lassen, wenn man bedenkt, daß alleine geschätzte 6000 winzig kleine Fensterchen einzeln darzustellen waren. In seiner Schilderung outet sich der künstlerisch unverkennbar talentierte Georg Hanke, der mit wachsender Freude in geschätzten 400 Arbeitsstunden an den Ergebnissen arbeitete, als Perfektionist, der versuchte, alle Einzelheiten möglichst genau nachzuzeichnen.
Nicht nur als Bastler waren die Beteiligten gefragt. Dem Bau ging umfangreiche Recherche voraus, die bis ins Jahr 1785 zurückreichte. Zu jedem Gebäude legten die fleißigen Mitarbeiter ein Datenblatt an, in der sie Bauart, Gebäudegröße frühere Bewohner mit ihren Berufen, Besitzerwechse u.a. Details festhielten.
Klaus Kimna, der die ersten Begrünungen des Modells vornahm, bemerkt, daß man historisch gesehen nicht vergessen darf, daß unser Menden „nie so schön war wie im Modell“. Insbesondere durch das damals noch fehlende Abwassersystem in Zusammenhang mit Viehhaltung, Misthaufen etc. dürfte die Geruchsentwicklung nahezu unerträglich gewesen sein. Dies darzustellen, war jedoch nicht Sinn und Ziel der Arbeit – es sollte nur daran erinnert werden. Weiterhin stellte Klaus Kimna alle in seinem Besitz befindlichen alten Fotos zur Verfügung, die zur wirklichkeitstreuen Abbildung des Stadtbildes beitrugen. Nicht zu vergessen und als Mitideengeber und Initiator auch Willy Stehmann, der maßgeblich beteiligt war.
Wieviele Arbeitsstunden wirklich in diesem Werk stecken, läßt sich allenfalls erahnen. Geschätzte 2.600 Stunden insgesamt. Wieviel Liebe zu Detail und Herzensblut darin steckt, wird beim Betrachten jedoch jedem deutlich.
Als Sponsoren nicht unerwähnt bleiben, sollten die Schreinerei Weber, die den Unterbau des Modells zur Verfügung stellten sowie die Glaserei Beierle und der Rotary Club, die zum Schutz den gläsernen Überbau möglich machten.
Laut Herrn Bürgermeister Fleige hätte das Modell, angefertigt von professionellen Stellen, um die 45.000 € Kosten verursacht. Umso mehr würdigt er diese – ebenfalls als professionell zu bezeichnende – Arbeit der Mendener Erbauer. Er kündigt weiterhin an, daß das Modell noch etwas längere Zeit im Neuen Rathaus zu bestaunen sein wird, bis der endgültige Standort geklärt ist. Fleige versichert jedoch, daß es für immer einen Ehrenplatz in Menden bekommen und in Zukunft Prunkstück bei Stadtführungen sein soll.
Autor:Bettina Albach aus Menden (Sauerland) |
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