Erzieherinnenstreik: Jetzt ist Rechtsanwalt Hessling am Zug
"So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt." Rechtswanwalt Marc Hessling ist mehr als erstaunt. Seit 14 Jahren arbeitet er in Mülheim an der Ruhr als Fachanwalt für Arbeitsrecht. Jetzt hat ihn die Gewerkschaft ver.di mit der Interessenswahrnehmung der streikenden Lebenhilfe-Erzieherinnen betraut. Dass die Lebenshilfe am vergangenen Wochenende in einer "Nacht- und Nebelaktion" die Trägerschaft für die vier bestreikten Kindertagesstätten im Kreis Kleve kündigte, erstaunt auch den Anwalt, der in zahrleichen Arbeitskämpfen schon viel erlebt hat. "Ich höre mindestens einmal im Monat, dass die Arbeitgeber alles dicht machen wollen, wenn die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften nicht so wollen, wie es den Arbeitgebern passt." Nur: Erlebt habe er das bisher noch nie. Das Verhalten der Lebenshilfe bezeichnet er als absolut atypisch, denn: "Das wird sie ein 'Schweinegeld' kosten."
Wie geht es jetzt weiter? Am Dienstag stehen zunächst Gespräche mit dem Betriebsrat an. In diesem Gespräch geht es vorrangig um die Frage nach einem Interessensausgleich. "Betroffen sind 90 Erzieherinnen, das wäre eine Massenentlassung. Wir gehen davon aus, dass alle entlassen werden", so Hessling. Es werde einen Sozialplan geben, den Betriebsrat, ver.di und Anwalt erzwingen könnten. Sollten sich die streitenden Parteien nicht einig werden, werde eine Einigungsstelle eingeschaltet. Sollte sich der Arbeitgeber während der Verhandlungen "stur" stellen, werde eine Schlichtungsstelle angerufen. "Die Einigungsstelle muss dann ad hoc eingerichtet werden", so Hessling. Sollte der Arbeitgeber sagen: "Nö, ich verweigere meine Teilnahme", sei das rechtswidrig, der Gang zum Arbeitsgericht sicher. Innerhalb von zwei bis drei Wochen setze das Gericht dann eine Einigungsstelle ein. Sollte der Arbeitgeber nicht zum angesetzten Termin erscheinen, einige sich die Einigungsstelle mit den Anwesenden, sprich Betriebsrat- und ver.di-Vertretern. Der ausgehandelte Sozialplan müsse dann umgestzt werden. Sollte der Arbeitgeber, sprich die Lebenshilfe, den Beschluss gerichtlich anfechten, lägen die Erfolgsaussichten für die Lebenshilfe deutlich unter fünf Prozent.
Als Gesetzeslücke umschreibt Hessling den Anlass des Streiks: Das Land zahle den Trägern von Kindertagesstätten den Lohn für die angestellten Erzieher. Und zwar berechnet nach TVÖD. Diese Leistung werde zu 100 Prozent vom Land erbracht. Allerdings gebe es keine gesetzliche Vorgabe, den Lohnanteil an die Arbeitnehmer in voller Höhe auszuzahlen.
Autor:Annette Henseler aus Kleve |
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