Sozialdatenschutz in Jobcentern

Immer wieder beschweren sich Betroffene darüber, dass Mitarbeiter im Jobcenter eine Vielzahl von Informationen abfragen, die datenschutzrechtliche Bedenken aufwerfen. Zum Teil wird dabei ein angeblicher Rechtsanspruch behauptet und nicht wenige Leistungsberechtigte werden mit der Androhung von Zahlungseinstellungen oder Kürzungen eingeschüchtert. „Dürfen die das denn?“, wird dann immer wieder gefragt.

Diese Rechtsunsicherheiten haben auch den Datenschutzbeauftragten des Bundes Peter Schaar und seine Behörde mehrfach beschäftigt und das Eingreifen erforderlich gemacht. Im Februar 2012 erschien ein kurzes Infoblatt „Datenschutz im Jobcenter“.

Durch Nachfrage auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes wurden weitere Details bekanntgegeben.

So enthielt ein Auszug aus dem "Empfehlungspaket zum Aufbau und Führen einer Leistungsakte im Rechtskreis SGB II", SP II 23 - II-5020, vom Januar 2012 eine vierseitige Übersicht „Was Jobcenter kopieren dürfen“.

Die verbindliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass die regelkonforme Anwendung in etlichen Jobcentern ignoriert und missachtet wird. Offensichtlich werden Jobcentermitarbeiter hausintern zu abweichenden Vorgehensweisen verpflichtet. So wird vieles kopiert und zur Akte genommen, für dass es weder ein Erfordernis gibt, noch eine Rechtsgrundlage besteht.

Ausweise und Kontoauszüge

Kompromisslos klar ist geregelt, dass Personalausweise, Reisepässe und Ausweispapiere ausländischer Mitbürger zwar zur Vorlage angefragt werden dürfen. Die Anfertigen von Kopien und die Aufnahme in die Akte ist ausnahmslos unzulässig. Gleiches gilt auch für Sozialversicherungsausweise und Krankenversicherungsausweise. Auch für Kontoauszüge und Sparverträge gilt: Ansehen und prüfen ja, aber nicht kopieren und zur Akte nehmen.

ärztliche Atteste, Schwerbehindertenausweise

Unsicherheit besteht auch bei ärztlichen Attesten und Schwerbehindertenausweisen.
Für erfolgreiche Vermittlung und die berufliche Integration mag es bedeutsam sein, gesundheitlichen Einschränkungen zu kennen. In die Jobcenterakte gehören solche Dokumente nie. Auch das Anfertigen von Kopien vom Mutterpass ist nicht zulässig.

Kosten der Unterkunft

Für viele Betroffene mag aufgrund eigener Erfahrung überraschend sein, dass die Vorlage eines Mietvertrages, in dem die Kosten für Miete und Nebenkosten, die Heizungsart und Art der Warmwasseraufbereitung ausgewiesen sind, für die Berechnung der KDU völlig ausreichend sind. Und über den Renovierungsbedarf einer neu anzumietenden Wohnung gibt das Übergabeprotokoll hinreichend Auskunft. Eine vom Vermieter auszufüllende Mietbescheinigung ist also nicht erforderlich, das gilt besonders, weil der Vermieter auf diese Weise Kenntnis über den sozialen Standard seines Mieters erhält. Das aber verletzt bereits das verbriefte Recht auf Sozialdatenschutz.

Telefonnummern und Mailadressen

Um die Erreichbarkeit der Erwerbslosen für das Jobcenter sicherzustellen, ist es ausreichend, die postalische Anschrift zu hinterlegen. Die Herausgabe von privaten Telefon- und Handynummern an Jobcentermitarbeiter ist zwar möglich und in besonderen Einzelfällen auch nützlich, aber ausschließlich freiwillig. Die Löschung kann jederzeit eingefordert werden.

Der Datenschutzbeauftragte rügte mehrmals die ungenehmigte Weitergabe von Sozialdaten an Zeitarbeitsfirmen und den leichtfertigen Umgang mit sensiblen Daten durch die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Während sie die Mitarbeiter des Jobcenter Märkischer Kreis selbst nicht mehr telefonisch erreichbar sind, sind sie angehalten die Kunden zur Herausgabe der persönlichen Telefondaten zu locken. Durch die Hintertür eines Callcenterdienstes werden die Erwerbslosen aufgefordert ihre Rufnummern zu hinterlassen. Die Daten werden abgespeichert. Außerdem wird ein Erinnerungsangebot per SMS angeboten. Auch auf diese Weise erschleicht sich die Behörde die Telefondaten. Diese werden regelmäßig auch Zeitarbeitsfirmen für den Direktkontakt überlassen. Das ist eine weitere Rechtsschutzverletzung.

Falsche Auskünfte am Telefon

Ebenfalls erschreckend sind die Rückmeldungen Erwerbsloser hinsichtlich einer großen Zahl von rechtsfehlerhaften telefonischen Auskünften durch Jobcentermitarbeiter. Informationen die nicht verschriftlicht sind, haben keinerlei rechtliche Bindungskraft, sind aber oft in der Wirkung auf unerfahrene Hilfesuchende verhängnisvoll.
Dabei ist dies längst nicht immer bösartig gemeint. Verkürzte Schulungen der Mitarbeiter, unzureichende Weiterbildung in einem sich stetig wandelnden Rechtsgebiet und die Nichtweitergabe aktueller Weiterentwicklungen der Sozialgerichte sind häufige Ursachen für Falschinformationen. Dazu kommt die Ausstattung mit Unterlagen und Formularen, die teilweise einen veralteten Rechtsstand ausweisen.

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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