Eines der ersten seniorengerechten Häuser mit Passivhaus-Komponenten entsteht in Haltern
Haltern. Es ist ein schwaches Glitzern: Ein paar Sonnenstrahlen haben das große Eisengerüst getroffen. Nun strahlt ein wenig Licht auf dem Baugerüst, das den Rohbau umgibt. Dahinter erstreckt sich eine typische grau-braune Betonfassade auf der Baustelle. Noch lässt sich das Aussehen des fertigen, begrünten Gebäudes nur erahnen. Lautes Hämmern, Bohren und Sägen durchbricht die Stille in der sonst ruhigen Wohngegend.
In einer der Wohnungen steht Norbert Hoffmann. Er ist erster Vorsitzender der Genossenschaft „Leben in Nachbarschaft“ (LiNa) in Haltern am See und auch einer der zukünftigen Bewohner des Hauses. Jeden Mittwoch kommt er zur Baubesprechung auf die Baustelle, um an seiner Vorstellung von einem Leben im Alter zu arbeiten. „Meine Frau ist vor zehn Jahren gestorben“, sagt Hoffmann und erzählt von seinem Haus mit 800 qm Garten. „In den letzten zwei Jahren fällt mir die Arbeit derart schwer. Ich werde heilfroh sein, wenn ich hier einziehen kann.“ Dabei haben er und seine zukünftigen Nachbarn sich einiges vorgenommen. Denn sie geben nicht nur ihre alten Häuser und Wohnungen auf, um eine neue Hausgemeinschaft zu gründen, sondern sie bauen auch eines der ersten Hausgemeinschaften mit Passivhaus-Komponenten für Senioren. „Nirgendwo gibt es greifbare Werte darüber, wie sich Senioren mit ihrem Wärmebedarf im Winter verhalten“, sagt der 76-Jährige. Diese Daten werden die STF Energy GmbH und die Fachhochschule Münster sammeln und auswerten. „Die Auswertung kann dann vielleicht zukunftsweisend für ähnliche Projekte genutzt werden“, betont er den fortschrittlichen Gedanken des Projektes LiNa. Mit ersten Ergebnissen rechnet Hoffmann bereits in zwei Jahren. STF Energy unterstützt den Bau des energieeffizienten Hauses durch bauphysikalische Berechnungen sowie durch alle Planungen, die im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung, der Gebäudehülle und Technik notwendig sind.
„Die Auswertung kann dann vielleicht zukunftsweisend für ähnliche Projekte genutzt werden“
Warum die Senioren sich auf ein solches Projekt einlassen? „Energieeffizienz heißt für uns, die zweite Miete drücken“, erklärt der Vorstandsvorsitzende. Und dafür wurde in dem Wohnprojekt der Senioren einiges getan. Darum wurde sie in das staatliche Förderprogramm des NRW Klimaschutzministeriums aufgenommen. Sie erhalten Mittel aus den Förderprogrammen progress.nrw und KfW 40 (Kreditanstalt für Wiederaufbau). Als KfW-Effizienzhaus 40 verbraucht es 60 Prozent weniger Energie als ein Standard-Neubau (KfW 100). Gleichzeitig ist auch der Transmissionswärmeverlust sehr gering: Der Grad der Wärme, der an die Umwelt abgegeben werden darf, liegt hier bei maximal 55 Prozent. Um dies zu erreichen, plante die STF Energy beispielsweise eine besonders effiziente Dämmung und Verglasung. Beim Energiesparen helfen zudem eine solarthermische Anlage zur Warmwasseraufbereitung und eine Photovoltaikanlage.
Aus den Teilnehmern eines Workshop im Rahmen des demographischen Wandels zu dem Thema „Wie wollen wir in unserem Alter leben“, schloss sich ein harter Kern zusammen, um ein seniorengerechtes Wohnprojekt umzusetzen: Der Verein LiNa entstand. „Innerhalb des Vereines wurden Arbeitsgruppen gegründet“, erklärt Norbert Hoffmann. Dort wurden Fragen geklärt wie: Wo gibt es die günstigsten Kredite? Wo finden wir ein passendes Grundstück? „Es stellte sich allerdings heraus, dass der Verein das Projekt nicht stemmen kann“, erzählt der Senior weiter. Daher gründeten die baldigen Nachbarn eine Genossenschaft.
Wer Mitglied werden möchte, muss ein Eintrittsgeld in Höhe von 100 Euro zahlen und mindestens einen Genossenschaftsanteil (500 Euro) erwerben. Um Einzuziehen fallen weitere Genossenschaftsanteile an, wie viele hängt von der Wohnungsgröße und davon ab, ob die Wohnung frei finanziert wird oder ob ein Wohnberechtigungsschein vorgelegt werden kann. Wer in dem Haus wohnen will, muss zudem Mitglied im Verein LiNa werden. Den Senioren ist es wichtig, mögliche zukünftige Nachbarn erst kennenzulernen und dann zu entscheiden, ob eine Mitgliedschaft in Frage kommt. Das Interesse ist auf jeden Fall da, und Nachahmer gibt es vielleicht bald auch schon. Hoffmann erhält viele Anrufe, nicht nur von Senioren die einziehen möchten, sondern auch von Personen, die ein ähnliches Projekt auf die Beine stellen wollen. „Bis nach Rheinland-Pfalz hat sich unser Vorhaben schon rumgesprochen“, betont der Rentner.
Von ihrer Wohngemeinschaft erhoffen sich die Vereinsmitglieder möglichst lange eigenständig leben zu können. Dabei hilft sicherlich auch der zentrumsnahe Standort des Hauses. Auch wenn jeder seine eigene Wohnung haben wird, wollen sie sich nachbarschaftlich unterstützen und immer ein offenes Ohr füreinander haben. Norbert Hoffmann bringt das Ziel auf den Punkt: „Kampf gegen Vereinsamung“.
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