„Kevinismus steht noch nicht im Duden!"

Nach eineinhalb Jahren kann Kai Twilfer endlich sein Buch in Händen halten. Rund 20 Verlage hatten sich dafür interessiert, nur einer blieb am Ende und bringt es nun am 15. Februar auf den Markt. „Bei amazon gibt es schon einen Verkaufsrang und ich schaue täglich darauf, ob sich da schon was tut“, lacht der Autor. Foto: Till
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Was der Duden nicht kann, das besorgt wikipedia: „Infolge der ungewöhnlich plötzlichen Popularität des Namens entstand aus Kevin der Begriff des Kevinismus (oder Chantalismus nach dem Vornamen Chantal) für die scherzhaft als Krankheit bezeichnete Neigung von Eltern, ihren Kindern ungewöhnliche, exotische Vornamen zu geben.“ Und genau darum geht es in Kai Twilfers „Schantall, tu ma die Omma winken!“

Anekdoten, die das Leben schreibt

Wer das Buch des Gelsenkircheners in die Finger bekommt, wird es so schnell nicht wieder aus der Hand geben. Denn die Satire sorgt für reichlich Spaß und es finden sich immer wieder Anekdoten, wie sie das Leben schreibt und wir alle sie hier mitten im Ruhrpott kennen.
Twilfer sieht aber „das Ruhrgebiet nicht als Brutstätte des Kevinismus. Das ist eher ein gesamtdeutsches Thema, auch wenn das Buch hier spielt.“

Erst war der Titel da, dann erst kam das Buch

„Ich muss gestehen: Der Titel zum Buch war zuerst da, dann erst kam das Buch über das Milieu in dem sich die meisten Kevins und Schantalls und wie sie alle heißen finden“, erläutert Kai Twilfer, der in seinem Buch die Namen übrigens konsequent so schreibt, wie viele Menschen sie sprechen. Ergo heißt es dort: Schanaia, Tschastin, Fanessa und eben Schantall.
„Und weil die Thematik satirisch aufbereitet und bloß nicht als Sachbuch verstanden werden sollte, habe ich den Sozialarbeiter Jochen integriert. Sonst wäre der Humor schon ein wenig sehr herb geworden, eher so nach dem Kaliber von Harald Schmidt und das war ja gar nicht mein Anliegen“, verrät der Autor mit einem Zwinkern.
Entsprechend trägt „Schantall, tu ma der Omma winken!“ den vielsagenden Untertitel „Aus dem Alltag eines unerschrockenen Sozialarbeiters“ und im Kurzinhalt wird erläutert: „Sozialarbeiter Jochen wird mit der Unterschichtfamilie Pröllmann samt Tochter Schantall konfrontiert.“

Familie Flodder lässt grüßen

Wer nun aufhorcht und in seinen Erinnerungen kramt, dem sei gesagt, dass Kai Twilfer dabei die „Familie Flodder“ im Hinterkopf hatte. „Dieser ein wenig hilfslose Typ, der ja auch wider Willen für die Flodders zuständig war“, lacht Twilfer.
Zufällig hat er im Bekanntenkreis auch einen Sozialarbeiter, der ihm schon mal die ein oder andere Idee bestätigen konnte, aber Twilfer weiß auch, dass es eigentlich reicht sich auf der Straße einmal umzuhören und umzuschauen.

Humorvoller und satirische Milieustunde

Herausgekommen ist eine humorvolle und satirische Milieustudie, die in einer Phanatasiestadt irgendwo im Ruhrgebiet spielt. Allerdings: „Gelsenkirchen wird schon hin und wieder mal erwähnt. Ein bisschen Heimat muss doch drin sein“, weiß der Gelsenkirchener.
Dass er die Vornamen mit seinem Buch auf dem Kieker hat, ist ihm bewusst, aber er meint es absolut freundlich. „Vielleicht gibt mein Buch ja auch den Anstoß zu einer Debatte, ob es sich bei der Namensvergabe um ein typisches Unterschicht-Thema handelt? Würden die Eltern auch bei mehreren Kindern immer an diesen Namen festhalten?“
Doch Twilfer musste auch feststellen, dass es unglaublich viele Namen gibt und selbst die Lieblingsnamen auf Rang 1 eigentlich nur 1,2 Prozent aller Neugeborenennamen ausmachen.

Kinder hat Twilfer nicht, aber was wäre wenn?

„Also da bin ich völlig überfragt. Die lateinischen Namen wie Linus oder auch die alten Namen wie Paul und Co kehren ja auch wieder. Wenn ich einmal eine Tochter gehabt hätte, dann wäre sie vielleicht Lilly genannt worden. Aber das ist ja rein hypothetisch“, lacht Twilfer. Aber es kann ja noch kommen.
Und weil das Buch ja eigentlich nur ein Hobby für ihn ist, hat er es in Kapitel unterteilt, die es ihm ermöglichten, auch mal für längere Zeit zu pausieren. Dem Leser bieten die Kapitel in sich geschlossene Geschichten, die kurzweilig zu lesen sind.
Dabei bedient sich der Autor gern des Ruhrgebietsslangs, den er auch der Lektorin gegenüber durchzusetzen wusste, als diese alles ins Hochdeutsche änderte oder wie Twilfer sagt: „Die Wortwitze mit der Axt zerlegte.“

Geschichten aus der Hüfte geschossen

Denn: „Jochen erzählt die Geschichten aus der Hüfte geschossen, also müssen sie auch so rüberkommen und auch für Gesprächsstoff sorgen über den Slang und die verwendeten Ausdrücke.“
Dass die Lektorin des Berliner Verlages Ausdrücke wie „titschen“ oder „prengeln“ nicht kannte, macht die Geschichte um „Chi-Chi-Partys“ und mehr nur witziger.
„Und wenn das Buch fluppt, dann gibt es vielleicht eine Fortsetzung. Da könnte Schantall dann zum Beispiel in die Oberschicht aufsteigen und beim Golfturnier antreten“, lacht Kai Twilfer.
Bis dahin macht er das Ruhrgebiet weiterhin populär durch seine „Regionalia“, sprich unter anderem die Postkarten auf denen Bergleute den Rest der Welt grüßen mit ihren flotten Ruhrgebietssprüchen.

Eine kleine Leseprobe

„Was haben Sie denn nach Ihrem Schulabbruch bisher beruflich so gemacht, Frau Pröllmann?“
„Na, wat so ging. Sonnenbänke im Studio desifieziert. Anne Mandelbude Tüten voll gemacht und Komparsin in Lloret.“

Oder an anderer Stelle:„Na, Sie sind doch als Journalistin akkreditiert oder etwa nicht?“ Der Sicherheitsmann schien hier etwas zu verwechseln, was Schantall während ihres großen Auftritts nun gar nicht ab konnte.
„Getz pass ma auf, Schätzchen! Seh ich in den Kleid wirklich so aus, als wenn ich wat mit Kredit am Laufen hab? Und mit die Presse hab ich schomma gar nix an Hut!“

Nach eineinhalb Jahren kann Kai Twilfer endlich sein Buch in Händen halten. Rund 20 Verlage hatten sich dafür interessiert, nur einer blieb am Ende und bringt es nun am 15. Februar auf den Markt. „Bei amazon gibt es schon einen Verkaufsrang und ich schaue täglich darauf, ob sich da schon was tut“, lacht der Autor. Foto: Till
Kai Twilfer; „Schantall, tu ma die Omma winken! Aus dem Alltag eines unerschrockenen Sozialarbeiters“. Mit Illustrationen von Susanne Granas. 224 Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3-86265-219-8, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2013. | Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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