Willi Nowack: Nachgetreten - ein Blick zurück in mildem Zorn
Die Buch-Kritik
Es war einmal... der Willi!
Ex-SPD-Guru Nowack stellt sein Buch vor
Willi Nowack ist für viele vor allem ein gescheiterter Politiker und Geschäftsmann. Am Ende so tief unten, dass er sich die schwedischen Gardinen von innen ansehen musste. Wenn der Mann, begnadeter Kicker, jetzt unter dem Titel „Nachgetreten - Ein Blick zurück in mildem Zorn“ ein Buch über seine Top-Zeit als „Macher“ vorlegt; wen sollte das noch interessieren? Renommierte Adressen eher nicht, denn Nowack präsentiert sein Buch mehr oder weniger im Eigenverlag.
Harte Worte für eine Rezension, aber sie sind mit Bedacht gewählt, denn genau so ist auch der Ton, der im Buch angeschlagen wird, wenn sich der einstige starke Mann der Essener SPD zu Wort meldet. „Voll auf die Fresse“, würde Doppel-Sternekoch Frank Rosin sagen. Willi Nowack war ein Machtmensch, mehr Strippenzieher oder Netzwerker (wie es heute so schön heißt) als Diplomat. Nicht der für die 80er und 90er Jahre typische Lehrer oder Sozialkeramiker, der - anders als die normal arbeitenden Menschen - damals Zeit für Politik hatte.
Das „System Nowack“, die „Nowackei“, die den Tausendsassa sogar bis in den Düsseldorfer Landtag brachte, bestimmte die Stadtpolitik.
Doch damit beißt sich die berühmte Katze in den Schwanz: Der einst als „Ayatollah von Altenessen“ titulierte Imperator hat selbst den Grundstein dafür gelegt, dass sich heutzutage - die aktuellen Wahlbeteiligungen beweisen das eindrucksvoll - weit über die Hälfte der Einwohner gar nicht mehr für die eigentlich doch so wichtige Stadtpolitik interessiert.
Nowack trägt Mitschuld daran, dass Lokalpolitiker inzwischen pauschal als Pöstchenjäger, Parteisoldaten und Parasiten im Selbstbedienungsladen Stadt gesehen werden.
Der Altmeister äußert sich zum Skandal um die städtische Müllabfuhr, der Willi analysiert den Ist-Zustand der SPD Essen. Er erklärt, wer einst zu seinen Truppen zählte, auf sein Kommando hin Karriere machte und dann später zum Verräter wurde.
Ja, der SPD-Halbgott, der Parteigrößen wie Johannes Rau und Gerhard Schröder zum dunkelroten Volksfest „Ruhr in Flammen“ lockte, sieht sich sogar ein wenig im neuen CDU-Oberbürgermeister Thomas Kufen wieder. Mag sein, dass das die damals und heute noch politisch Aktiven interessieren wird - eine breite Leserschaft aus genannten Gründen aber wohl eher nicht.
Und das ist schade! Denn die Brisanz, die vielen Buch-Passagen nach mehrfachem Lektorat offensichtlich fehlt (wahrscheinlich wurde hier eine Klagewelle befürchtet und der Willi war nach eigenen Angaben ja schon einmal so gut wie pleite), findet sich in der Erzählsprache wieder.
Kein Wunder, Nowacks Autor und Wegbegleiter Jürgen Hainke hat es als langjähriger Chefredakteur sprachlich einfach drauf.
Mit spitzer Zunge, einer Mischung aus Angriffslust und Selbstgefälligkeit wird durch die Kapitel geführt - die Diktion ist fesselnd und die STADTSPIEGEL ESSEN-Leser kennen das, denn „Hai“, wie er immer noch kürzelt, schreibt ab und an bei uns Gast-Kommentare und -Kritiken.
So ist „Nachgetreten“ ein Buch, das im Politikunterricht besprochen werden könnte, das dann aufzeigen würde, wie Lokalpolitik einst funktionieren konnte und aktuell immer weniger funktionieren sollte.
Vor diesem Hintergrund habe ich hier gerne ein Stück Zeitgeschichte der Essener Stadtpolitik gelesen. Aber: Ich bin als Lokaljournalist eben auch befangen.
Für Nachtreten kann‘s Rot geben, zumindest Gelb. Und dass der Willi mal ein Stoßstürmer war, eine echte Neun, ist sicher, trotzdem gilt: Es war einmal...
Entscheiden Sie selbst!
Autor:Detlef Leweux aus Essen-Steele |
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