Anwohner in Altenessen-Süd fühlen sich im Stich gelassen

Keine Durchfahrt für LKW? Anlieger frei? In der Inselstraße setzt sich mancher über die Straßenverkehrsordnung hinweg. Foto: Niko Korte/pixelio.de
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Altenessen soll schöner werden: Erst kürzlich rief das Stadtteilprojekt zu einer Blitzblank-Aktion entlang der Altenessener Straße auf. Bürgerschaftliches Engagement in allen Ehren: Für die Mitglieder der Anwohnergemeinschaft Altenessen-Süd sind Besen und Ballons nicht genug.

Die Bürgerinitiativen sprießen im Norden wie Pilze aus dem Boden. In Bergeborbeck wehren sich Anwohner gegen die fortschreitende Verwahrlosung ihres Stadtteils, in Altenessen-Nord, an der Stapenhorststraße, wollen es Bürger gar nicht so weit kommen lassen und machen gegen die Ansiedlung von „störendem Gewerbe“ mobil. Nun ziehen die Menschen in Altenessen-Süd, sozusagen im Zentrum der städtebaulichen Unzulänglichkeiten, nach. Ausgangspunkt der Debatte zur Zukunft des Stadtteils war der „rechtsfreie Raum“ rund um den Bahnhof.

Unbehagen in Teilen der Bevölkerung

Auch wenn der „rechtsfreie Raum“ aus der offiziellen Sprachregelung von Verwaltung und Politik gestrichen wurde und die Betroffenen diesen Kampfbegriff vermeiden, so macht die Anwohnergemeinschaft deutlich, dass es entlang Krabler-, Wicking- und Inselstraße längst nicht mehr mit rechten Dingen zu gehe. Mehrere Mitstreiter sind zum Stadtteilspaziergang mit dem Nord Anzeiger erschienen, doch keiner möchte seinen Namen lesen. Selbst eine profane Unterschriftensammlung, mit deren Hilfe eine Bürgerinitiative in der Regel das Laufen erlernt, bereitet Sorgen. „Die Angst vor Repressalien ist groß“, weiß eine inoffizielle Sprecherin der Anwohnergemeinschaft.
Doch worum geht es der Initiative? „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, lautet der

O-Ton. Nach und nach ließ sich in der Gegend mindestens ein halbes Dutzend Autohändler und KFZ-Werkstätten nieder. Meist mit arabischem oder osteuropäischem Hintergrund und einer „Nähe zum Autokinomilieu“ in Bergeborbeck, wie die Anwohner sagen. Eingangsschilder mit Aufschriften wie „Hobby-Werkstatt“ oder „Neuwertige Unfallwagen“ transportieren in der Tat wenig Vertrauen. Auf einem Hof zerfällt eine Luxuskarosse, die Flaggenhalterungen sind noch nicht abmontiert. Man ahnt: In diesem Gefährt ist ein Würdenträger kutschiert worden.

Dabei ist es noch nicht mal der Gedanke an die Geschäfte, der die Anwohner ins Grübeln bringt. „Von morgens bis abends, an jedem Wochentag werden hier Autos verladen – teilweise in zweiter oder dritter Reihe“, gibt ein Nachbar zu Protokoll. Große Verladeaktionen gibt es - der „Vorführeffekt“ schlägt zu – an diesem Nachmittag nicht.

Dennoch glaubt man den Betroffenen. Eine ruhige Wohngegend klingt anders, die Insel- und Pielstickerstraße haben sich zur Umgehungsstraße gemausert. Wer von der Gladbecker Straße ins Altenessener Zentrum gelangen will, nimmt in der Regel diesen Weg: An der Einmündung Krabler-/ Altenessener Straße heißt es nur für Rechtsabbieger in Richtung Stadtmitte freie Bahn. Dass die Insel- und Pielstickerstraße nur für Anlieger freigegeben ist, sieht man erst, wenn man bereits eingebogen ist.

Der Durchgangsverkehr ist allerdings nur ein Problem unter vielen. „Die Verwaltung könnte mehr Rücksicht walten lassen, wenn sie in dieser Gegend Gewerbe ansiedelt“, lautet der allgemeine Wunsch. Bei jedem neuen Zuzug schrillen die Alarmglocken. So auch 2008, als sich der in der Twentmannstraße beheimatete marokkanische Verein El Moahidin in einem Hinterhof an der Inselstraße niederlassen wollte.

Verwaltung lehnte den ersten Hotelantrag ab

„Der Gebetsraum ist – Gott sei Dank – nicht gekommen“, seufzt eine Mit-Spaziergängerin. Nicht ohne zu betonen: „Es geht uns nicht um Vertreibung, wir wollen ja miteinander leben.“ - „Aber im Rahmen der Gesetze“, betont ein anderer. Die Geschichte wurde sehr heiß gegessen, letztendlich bedeutete das Wegerecht eines Nachbarn das Aus für El Moahidin. Heute trifft sich der Verein in der Overbergstraße im Nordviertel. Stattdessen erlebten die Inselstraßen-Bewohner, wie schnell man eine Spielhalle eröffnen und wieder schließen kann.
Neuestes Ärgernis ist ein „Hotelbetrieb“. „Ein Billiganbieter“ - und obendrein nicht angemeldet, wie Nachbarn aus sicherer Quelle gehört haben wollen. Zwar habe man Polizei und Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf die Unterkunft hingewiesen, bisher aber nicht mehr als ein Achselzucken geerntet. „Dabei werden direkt am Bürgersteig die Nummerschilder gewechselt“, schüttelt ein Passant ungläubig den Kopf.

Am Ende des Rundgangs ist die Stimmung gedrückt. Ärger ist der Resignation gewichen. „Meine Tochter will die 200 Meter vom Bahnhof nach Hause nicht mehr allein laufen“, hält ein Vater fest. Ob es bereits zu schlimmen Un- oder gewalttätigen Zwischenfällen gekommen ist? „Nein, das nicht“, lautet die Antwort. „Aber anscheinend muss immer erst etwas passieren.“

Reaktionen:

Das sagt die Politik

Die SPD forderte bereits im September die Änderung der Bebauungspläne der betroffenen Straßenzüge - um störendes Gewerbe künftig fernzuhalten. Michael Schwamborn vom Essener Bürgerbündnis hält eine pauschale Lösung für kritisch, er plädiert für sorgfältige Einzelentscheidungen. Seine Fraktion wird zudem am Dienstag in der Bezirksvertretung einen Sachstand zum „Hotelbetrieb“ in der Inselstraße einfordern.

Das sagt die Verwaltung

Eine Begehung im September habe den Eindruck erweckt, dass in der Inselstraße - formal - alles seine Richtigkeit habe: Einzelne Wohnungen, die längerfristig an Montagearbeiter vermietet würden, fielen nicht unter die Definition eines Hotels. Allerdings lag eine Bauvoranfrage für einen Hotelbetrieb (vier Zimmer) im hinteren Teil des Gebäudes vor, der Antrag wurde als „unprüfbar“ abgelehnt. „Wir werden die Immobilie aktuell wieder überprüfen“, kündigt Detlef Robrecht, Leiter der Bauaufsicht, an. Jedoch: Sollte der Antragsteller alle geforderten Kriterien erfüllen, ist planungsrechtlich nichts gegen ein Hotel in der Inselstraße einzuwenden.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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