Problematische Entwicklung der Essener Bildungslandschaft - Katholische Konfessionsschulen auf dem Vormarsch

Laut rot-rot-grünem Mehrheitsentscheid der Bezirksvertretung IV sollte an der städtisch katholischen Altfriedgrundschule ein Bestimmungsverfahren durchgeführt werden, ob diese Schule nach einem Ausbau nicht auch städtische Gemeinschaftsschule werden sollte. Die rot-schwarze Mehrheit im Stadtrat hat einen entsprechenden Antrag der Grünen Fraktion aber leider in der Aprilsitzung abgelehnt.
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  • Laut rot-rot-grünem Mehrheitsentscheid der Bezirksvertretung IV sollte an der städtisch katholischen Altfriedgrundschule ein Bestimmungsverfahren durchgeführt werden, ob diese Schule nach einem Ausbau nicht auch städtische Gemeinschaftsschule werden sollte. Die rot-schwarze Mehrheit im Stadtrat hat einen entsprechenden Antrag der Grünen Fraktion aber leider in der Aprilsitzung abgelehnt.
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Die Zahl einzuschulender Kinder, wie auch die Gesamtschülerzahl wächst nach langem Rückgang wieder. Seit geraumer Zeit ist aber ein grotesker Trend im Anmeldeverhalten der Eltern zu verzeichnen, dem aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit dringend gegengesteuert werden muss. Während der Zahl der Katholiken unter den EinwohnerInnen Essens seit Jahren abnimmt, steigt der Run auf die Konfessionsschulen.
In der aktuellen Bevölkerungsstatistik vom März 2016 gibt es unter den 569075 Essener BürgerInnen rund 35,4%, also 208406 Katholiken. Vor drei Jahren, im März 2014 waren bei 573487 EinwohnerInnen noch 37,1 % also 212925 amtlich als Katholiken registriert.

Weniger Katholiken aber mehr katholische KonfessionsschülerInnen

Trotz dieses Verlust an über 6500 Katholiken stehen in einigen Stadtteilen Essens die städtischen Gemeinschaftsgrundschulen, die gleichermaßen Kinder aller Konfessionen, bzw. auch keiner Konfession angehörende SchülerInnen aufnehmen, zunehmend unter Druck. D.h. Schulen, die nach dem Schulentwicklungsplan eigentlich jedes Jahr zwei oder drei Parallelklassen der Jahrgänge bilden müssten, verkleinern sich durch zu geringe Anmeldezahlen. Schließlich weisen sie so wenig SchülerInnen auf, dass die Schulaufsicht der Düsseldorfer Regierungspräsidentin die Stadt Essen dazu drängt, diese Schulen aus finanziellen wie pädagogischen Gründen zu schließen – so wie es das NRW-Schulgesetz in diesen Fällen vorschreibt.
Für viele Schuljahre war das vor allem die normale Folge stetig sinkender SchülerInnenzahlen. Hatte sich doch vom Schuljahr 2002/2003 mit noch 5753 SchülerInnen in der 4. Klasse der Grundschulen deren Zahl im Schuljahr 2014/15 auf 4501 reduziert. Erst mit den beiden letzten Anmeldejahrgängen geht die SchülerInnenzahl wieder nach oben. Im laufenden Schuljahr sind wir bei den 4.-Klässlern wieder bei 4583 angelangt. Zum Vergleich, insgesamt werden in den städtischen Schulen - von den Grundschulen, bis hin zu den Berufskollegs um die 75000 Schülerinnen unterrichtet.

Frage des letzten Jahrzehnts – welche Schule wird als nächstes geschlossen

So blieb also über mehr als ein Jahrzehnt die Entscheidung, welche Essener Grundschule und auch Hauptschule sollte als nächstes geschlossen werden, eine der wesentlichen Streitfragen im Schulausschuss des Essener Stadtrates. Nachdem die damalige schwarz-gelbe NRW-Landesregierung ( 2005-2010) die vorher verbindlichen Schulbezirke aufgehoben hatte – also insbesondere bei den Grundschulen nicht mehr die Schule in unmittelbarer Wohnortnähe gewählt werden musste, geriet die städtische Schulplanung zusätzlich ins Rutschen. Ab jetzt balgten sich gerade Grundschulen quasi wie im freien Markt mit ihren Schulkonzepten, in neuen oder maroden Schulgebäuden um sinkende Schülerzahlen. Der Schulträger Stadt Essen als überschuldete Nothaushaltskommune konnte – und kann dabei Haushaltsjahr um Haushaltsjahr seine Verantwortung für Gebäudeerhalt oder Sanierung nur unzureichend erfüllen.

Marktvorteil der katholischen Konfessionsschulen?

So gerieten Schulstandorte zusätzlich im Hintertreffen, die in sozial schwierigen Quartieren ihre Angebote vorhielten und auch nicht auf gutsituierte Schulpflegschaften oder leistungsstarke Fördervereine der Elternschaft zurückgreifen konnten. In dieser sich verschärfenden Konfliktlage konnte die besondere Anbindung z.B. zwischen einer katholischen Kirchengemeinde und einer städtisch-katholischen Grundschule vor Ort sicherlich manche dieser Probleme abfedern. Die Elternerwartung, dass der Migrantenanteil in der christlichen Konfessionsschule geringer sein dürfte, als an der Gemeinschaftsschule, dass damit selbstverständlich auch das Lernniveau der katholischen Grundschule höher wäre und so schließlich die erhoffte hohe Übergangsquote auf das Gymnasium erreichbar sei, taten wohl ihr Übriges für den Boom der katholischen Konfessionsschulen.

Wer „darf“ in eine städtisch-katholische Schule?

Die Möglichkeit zur Aufnahme in diese Schulen besteht dann, wenn diese Kinder katholisch getauft und bereit sind, am katholischen Religionsunterricht teilzunehmen. Falls nicht ausreichend katholische Kinder angemeldet werden, können in 2. Priorität auch andere Kinder genommen werden, deren Eltern unterschreiben, dass ihre Kinder im Sinne dieses Bekenntnisses unterrichtet werden sollen.

Obligatorisch: Katholische Schulleiter und Lehrer

Schulrechtlich eindeutig ist nach den § 26 & 27 des NRW-Schulgesetzes geregelt, dass sowohl Schulleiter und Lehrer natürlich katholisch sein müssen – bei ganz besonderen Lehrermangelsituationen soll es hier jetzt allerdings Ausnahmen geben können.
Nachhaltige Konflikte entstanden unter diesen Umständen z.B. anlässlich der Schließung der Steeler Ruhrau und der Frintroper Walter-Pleitgen-Schule. Das waren Gemeinschaftsschulen, die zugunsten der städtisch-katholischen Laurentiusschule und der Altfriedschule geschlossen wurden. Die schöne Grundsatz „kurze Beine – kurze Wege“ ließ sich mit diesen Entwicklung für nicht katholische Schülerinnen kaum mehr erfüllen. In Steele bedeutete das für nicht wenig Grundschüler einen weiteren Weg zur Grundschule hoch in den Steeler Rott und in Frintrop häufig den Gang zur Reuenbergschule im Nachbarstadtteil Dellwig.

Schulwahl nach Taufschein verstärkt soziale Schere

Die weiteren Schulwege für die Kinder sind aber nicht das größte Problem. Über ihre Schulwahl nach Taufschein verstärken die anmeldenden Eltern die Entwicklung von kultureller und sozialer Entmischung im Stadtteil. Die Gemeinschaftsschulen, die ja üblicherweise ebenfalls katholischen und evangelischen Religionsunterricht anbieten, verzeichnen mit dieser Entwicklung in diesen Stadtviertel deutlich höhere Migrantenanteile als es eigentlich dem Quartier entspricht. Wenn folglich die übliche Verkehrssprache auf dem Schulhof etwas anderes als Deutsch sein sollte, und deutschstämmige Kinder sich dann einsam fühlen, kann das kaum jemanden wundern. Gleichzeitig treffen sich andere deutschstämmige SchülerInnen geballt in der katholischen Grundschule. Über dieses Anmeldeverhalten der christlichen Eltern wird frühzeitiges „Nebeneinanderherleben“ der Kinder und Jugendlichen im Stadtteil eingeübt.

Verstärkter Ausbau städtisch katholischer Schulen

Dem Zwang der Anmeldezahlen und des Schulmarktes folgend, werden per Ratsbeschluß jetzt die katholische Andreasschule und die Altfriedschule ausgebaut, beim Ausbau der Josefsschule könnte über einen Schulverbund vom Ausbau allerdings auch die Gemeinschaftsgrundschule Hinsbeckschule profitieren. Andernorts im Stadtbezirk IV ( Borbeck) und Stadtbezirk III (Frohnhausen) kommen über sogenannte (Grund)Schulverbünde jetzt Gemeinschaftsgrundschulen als kleinerer Teilstandort unter die Oberaufsicht der jeweiligen katholischen Grundschule. Nicht verschwiegen werden soll hier, dass jetzt in Rüttenscheid sogar eine Gemeinschaftsgrundschule, die Sternschule ausgebaut werden soll.

Papstverehrung und Gemeinschaftschule

Ein anders gelagerter aktueller Streitfall ist die städtische Gemeinschaftsgrundschule in Bedingrade, die früher einmal katholische Bekenntisschule war, nach dem Willen der Schulkonferenz wieder ihren alten Namen „Franziskusschule“, was die Rot-rot-grüne Mehrheit der Bezirksvertretung jedoch abgelehnt hatte. Weder als Heiligenname noch als Hinweis auf das aktuelle Oberhaupt der katholischen Kirche dürfte sich "Franziskus" tatsächlich als name für eine Bekenntnis neutrale städtische Gemeinschaftsgrundschule eignen.
Bei alledem hat es nach einer Gesetzesreform der Rot-Grünen Landesregierung jetzt endlich der Schulträger Stadt Essen in der Hand, mit dem sogenannten „Bestimmungsverfahren“ nach § 27 Schulgesetz, alle Eltern mit einschulungspflichtigen Kindern in einem Stadtteil demokratisch zur Schulart zu befragen.
Es geht dabei nicht darum, dass der Stadtrat oder die Bezirksvertretung beschließt, ob die Schule vor Ort als Gemeinschafts- oder eine Konfessionsschule arbeiten soll. Nur die Mehrheit der Stadtteileltern hätten entscheiden können. Genau dieses Verfahren hatte eine Rot-Rot-Grüne Mehrheit der Bezirksvertretung IV z.B. für die Altfriedschule in Frintrop gewünscht. Dem folgend hatte die Grüne Ratsfraktion für die Aprilsitzung des Stadtrats diese Forderung nach einen Schulbestimmungsverfahren beantragt und war damit sowohl an CDU wie auch SPD gescheitert. Das gemeinsame Lernen von Kindern verschiedener Religionen oder ohne Bekenntnis bleibt in Essen also schwierig.

Hinweis zur besseren Einordnung der Schularten:

Es geht in der Darstellung um kommunale Schulen der Stadt Essen. Es ist nicht die Rede etwa vom bischöflichen Schulzentrum in Stoppenberg, einer BMV in Holsterhausen, die als Gymnasium von einer Ordensgemeinschaft getragen wird – auch nicht von Waldorfschulen. Alle diese Schulen betreiben im Rahmen der Verfassung von NRW als sogenannte „anerkannte Ersatzschulen“ ihre Bildungskonzepte - deren weltanschaulich freies Schulangebot soll auch nicht angetastet werden.
Walter Wandtke

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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