Hochspannungsfreileitungen: Stadt stemmt sich gegen neue Landesplanung
Neuer Landesentwicklungsplan fordert größere Abstände zu Hochspannungsfreileitungen - 110 kV Leitungen sollen unter die Erde
Dortmunder Mehrheitspartei SPD droht sich gegen SPD-Vorgaben in Land und Bund zu wenden
Der neue Landesentwicklungsplan NRW befindet sich zur Zeit in Aufstellung. Noch bis zum 28.02.14 läuft die Beteiligung der Bürger und der öffentlichen Stellen.
Die Bürgerinitiative "Pro Oespeler Lebensraum e.V." nimmt erfreut zur Kenntnis, dass sich bei der Aufstellung des neuen Landesentwicklungsplanes (LEP) für NRW auch eine Veränderung der Abstände zu den Hoch- und Höchstspannungsleitungen abzeichnet.
Eine Verwaltungsvorlage (Drucksache Nr.: 11553-13) zum Landesentwicklungsplan (LEP) durchläuft zur Zeit die politischen Gremien in Dortmund und soll am 13.02.14 vom Rat beschlossen werden.
Der Umweltbericht zum LEP sagt, dass hinsichtlich Gesundheit und Wohlbefinden unter anderem auch Ansprüche auf den Schutz vor Immissionen bestehen. Hierzu gehören auch die elektromagnetischen Felder. Insbesondere Wohngebiete mit besonders empfindlicher Nutzung (Wohngebäude, Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen) haben eine herausgehobene Bedeutung.
Neue Hochspannungsfreileitungen mit einer Nennspannung von 110 kV oder weniger seien so zu planen, dass die Trassen als Erdkabel ausgeführt werden können, soweit die Kosten für Errichtung und Betrieb die Gesamtkosten der vergleichbaren Freileitungen den Faktor 2,75 nicht überschreiten
Die Stadt Dortmund stimmt diesen Planungen immerhin noch zu.
Weiterhin gibt der LEP vor, dass Höchstspannungsleitungen von 220 kV und mehr so zu planen sind, dass ein Abstand zu sensiblen Gebäuden von 400 m eingehalten wird. Dies trifft auf Gebiete zu, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen oder im unbeplanten Innenbereich, der überwiegend dem Wohnen dient.
Der Abstand dürfe nur in Ausnahmefällen unterschritten werden.
Zu Wohngebäuden im Außenbereich ist ein Abstand von 200 m zu halten, der grundsätzlich nicht unterschritten werden darf.
Bei der Ausweisung von neuen Baugebieten, die dem Wohnen oder Gebäuden mit vergleichbarer Sensibilität dienen, ist ein Abstand von mindestens 400 m zu rechtlich gesicherten Trassen zu halten.
Diese neue Regelung findet bei der Stadt Dortmund keinesfalls Beifall
Sie stellt fest, dass diese Abstandsreglungen deutlich über die bisherigen Regelungen hinausgeht.
Der Abstandserlass NRW sieht bisher einen Abstand von 20 m bei 220 kV und 40 m bei 380 kV Freileitungen vor. Bei diesen Abständen würde ein Vorsorgewert von 10 Mikrotesla (MT) eingehalten, die Strahlenschutzkommission würde dagegen einen Vorsorgewert von 100 MT für die magnetischen Felder empfehlen.
Die Einhaltung von 400 m zwischen sensiblen Bereichen wie Wohngebieten usw. hätte erhebliche Auswirkungen auf die Planungen der Stadt Dortmund. Sie befürchtet, dass bestehende Wohnbaupotenziale im Flächennutzungsplan, die innerhalb der genannten Abstände liegen, künftig nicht mehr entwicklungsfähig sind. In Dortmund wären rund 10 % der Wohnbauflächenreserven davon betroffen. "Die Regelungs- bzw. Beurteilungsspanne zwischen dem Bundesimmissionsschutzgesetzes, dem gültigen Abstandserlass NRW und den jetzt formulierten Zielaussagen der Landesplanung ist zu hoch", so die Stadt.
Kommt es auf 10 % an?
"Ende des Jahres 2012 standen im Dortmunder Stadtgebiet rund 136 Hektar Wohnbauflächen für circa 4.300 Wohnungen in rechtsverbindlichen Bebauungsplänen zur Verfügung. Für weitere 121 Hektar Bruttowohnbauflächen – einschließlich Grün- und Erschließungsflächen – wurden Bebauungsplanverfahren für knapp 3.300 Wohnungen eingeleitet. Als zusätzliche Planungsreserve weist der Flächennutzungsplan noch einmal 190 Hektar aus, die einer Wohnbebauung zugeführt werden können. Ergänzend dazu ist eine Baulandreserve in sogenannten Baulücken (§ 34 Baugesetzbuch) von insgesamt rund 26 Hektar für circa 600 Wohnungen vorhanden." (Wohnungsmarktbericht Stadt Dortmund 2013)
An Bauland mangelt es also nicht.
Das Problem ist, dass viele Flächen im Sondervermögen - ein Schattenhaushalt - der Stadt Dortmund sind, Flächen die vermarktet werden müssen, um den negativen Saldo des Sondervermögens auszugleichen, ansonsten muss nach fünf Jahren ein Ausgleich durch den stark angeschlagenen Haushalt vorgenommen werden.
Noch 2011 verkündete die Stadt Dortmund, dass ein Konzept zur Minimierung der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern zu erarbeiten sei.
Das Umweltamt hatte im Jahr 2011 dazu das Bundesamt für Strahlenschutz zitiert und schon relativ gering erscheinende Dauerbelastungen für Anwohner von 0,3 – 0,4 Mikrotesla als gesundheitlich problematisch eingestuft: Gefahren von Leukämie und neurodegenerativen Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson) wurden benannt.
Mit der jetzigen Haltung zeigt die Stadt Dortmund einmal wieder, dass es ihr gar nicht um die Gesundheit der Bürger geht, sondern um die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen.
Der Umweltbericht zum LEP sagt dazu, dass die neuen Abstände, die deutlich über das Bundesimmissionsschutzgesetz hinausgehen, mögliche Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes vorsorgend vermeiden sollen. Erst bei einem Abstand von 400 m zu Hochspannungsleitungen im Innenbereich führen demnach die elektrischen und magnetischen Feldstärken zu keiner zusätzlichen Belastung.
Der Abstand von 200 m im Außenbereich sei ausreichend, um die Grundbelastung nicht zu überschreiten.
Die Abstände von 200 und 400 m stünden außerdem im Einklang mit dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG).
Nun ist die Politik gefragt
Die Grünen im Rat hatten sich in der Vergangenheit für eine Vergrößerung der Abstände zu Hochspannungsfreileitungen ausgesprochen.
Der Sprecher der SPD-Fraktion im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien - Herr Harnisch - sah bisher keine Möglichkeit, die Vorsorgewerte für Hochspannungsleitungen zu senken. Diese Möglichkeit wird der SPD durch den neuen LEP jetzt gegeben.
Interessant ist die Haltung der SPD auf Bundesebene.
In einem gemeinsamen Antrag mit den Grünen forderte die SPD im Vorfeld der Novellierung des 26. Bundesimmissionsschutzgesetz gemeinsam mit den Grünen eine deutliche Senkung der Vorsorgewerte. 10 Jahre intensiver Forschung haben Hinweise auf Gesundheitsrisiken durch langfristig wirkende elektromagnetische Felder konkretisiert. Da es aber noch Unsicherheiten bei den Risiken gäbe, müsse Vorsorge getroffen werden.
Schon 2002 war die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktiv geworden und die elektromagnetischen Felder wurden in die Gruppe "möglicherweise krebserregend" eingestuft und stehen somit auf einer Stufe Methylquecksilber, Blei, Kobalt, Schiffsdiesel, Chloroform und DDT.
Die Bürgerinitiative "Pro Oespeler Lebensraum e.V." fordert, dass die politischen Gremien der Stadt Dortmund sich an diesen Gesundheitsschutzplänen orientieren und nicht finanzielle Aspekte in den Vordergrund von Entscheidungen stellen.
Autor:Judith Zimmermann aus Dortmund-West |
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