Wenn die Wohnung zur Müllhalde wird: Messies in Castrop-Rauxel

Keine Bilder aus dem Fernsehen, sondern aus Messie-Wohnungen in unserer Stadt.
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Vergammeltes Essen in der Küche, „Viecher im Kühlschrank, die man noch nie gesehen hat“, Schimmel, 450 leere Bierflaschen, eine komplette Etage, die von Katzen bewohnt wird, Fliegen oder Exkremente: Eine Messie-Wohnung kann viele Gesichter haben. Robert Hyzyk vom Ordnungsamt hat einige gesehen. „Da kann man schon Gänsehaut auf der Speiseröhre bekommen“, sagt der 46-Jährige.

„Grundsätzlich kann sich jeder so entfalten, wie er möchte. So ist es im Grundgesetz verankert.“ Wenn allerdings von einer Wohnung Gesundheitsgefahr ausgehe, sei die Behörde gefragt. Liege ein konkreter Verdachtsfall vor, werde man aktiv. „Unser Job ist es, drohende Gefahren abzuwehren.“ Rund zehn Messie-Fälle gebe es pro Jahr in unserer Stadt - die Dunkelziffer liege vermutlich höher. Denn längst nicht alle Messies fallen auf - ist es jedoch der Fall, „müssen sie mich in die Wohnung lassen“, sagt Hyzyk.
Seit 2009 ist der 46-Jährige für‘s Ordnungsamt (Bereich allgemeine Ordnung) unterwegs, zuvor war er 15 Jahre im Rettungsdienst aktiv. „Wenn man in die Wohnung kommt, erkennt man sofort, was es für eine Messie-Wohnung ist.“ Da gebe es einmal den alten Menschen, der schlichtweg überfordert sei. „Er räumt alles von links nach rechts - ein Durchkommen ist kaum noch möglich. Das ist noch die angenehmste Sache“, meint Hyzyk. Dreck bedeute nicht automatisch eine Gesundheitsgefahr. Hier könne man nur an den Einzelnen appellieren - eine rechtliche Handhabe gebe es in diesem Fall nämlich nicht. „Hier versuchen wir, einen Kontakt zu Verwandten oder Nachbarn herzustellen, damit es dem Betroffenen besser geht.“
Es gibt aber auch ganz andere Fälle. „Die komplette Wohnung ist dreckig und vermüllt, Kot liegt herum, überall sind Fliegen. Da entwickelt man eine körperliche Abneigung und möchte am liebsten Plastik über die Schuhe ziehen.“
Je nach Zustand der Wohnung müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Das können zum Beispiel der Schädlingsbekämpfer oder das Desinfektionsmittel sein.
In vielen Fällen seien es alleinstehende Männer, die Messie-Tendenzen entwickelten, hat der Mann vom Ordnungsamt beobachtet. „Was zunimmt, ist die wachsende Zahl von psychischen Erkrankungen.“
Beeindruckt habe ihn ein Messie, der jeden Tag wie gewohnt seiner Arbeit nachgegangen sei, sein Leben außerhalb der eigenen vier Wände offenbar im Griff hatte. Dann beschwerten sich die Nachbarn: „Es riecht da so.“ Das Ordnungsamt schritt ein. „Die Wohnungstür ließ sich nur einen Spalt öffnen. Der Müll stand einem bis über das Knie“, erinnert sich Hyzyk. „Als er auffiel, schämte sich der Mann zu Tode.“ Und erhielt prompt die Kündigung. Ist der Messie jedoch der Wohnungseigentümer, stellt sich die Sache ungleich schwerer dar. Ihn könne man nicht so einfach hinauswerfen. Oft versuche man, den Betroffenen einige Tage in einem Krankenhaus unterzubringen. In dieser Zeit werde der Schädlingsbekämpfer in der Wohnung aktiv. „Man fragt sich in diesen Fällen, wie es soweit kommen konnte“, sagt Hyzyk. „Ich würde mir wünschen, dass man gegenseitig mehr auf sich achten würde und sich mit mehr Respekt begegnet.“
Zu erreichen ist Robert Hyzyk unter der Telefonnummer 02305/106-2233.

Messies: Expertenmeinung
„Früher hat es Sinn gemacht, zu sammeln“, sagt Prof. Dr. Udo Bonnet, Leiter der psychiatrischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses - und er spricht damit auf die (Nach-)Kriegszeit an.
Aber was passiert, wenn das Sammeln krankhafte Ausmaße annimmt?

Wenn die Wohnung zur Müllhalde wird, steckt selten eine „isolierte Messie-Symptomatik “ dahinter, weiß der Mediziner. Wer zum Messie wird, leide häufig an einer Depression (mit massiver Antriebshemmung), einer Suchtkrankheit oder einer Zwangserkrankung. Behandle man einen Messie, müsse man also die Erkrankung behandeln, die dahinter stecke.
Oftmals seien es Angehörige oder das Ordnungsamt, die einen Messie in die Ambulanz brächten. „Irgendwann stört es die Umgebung so stark, dass etwas passiert.“
Leide jemand unter einer isolierten Sammelsucht, seien die inneren Werte anders reguliert als beim großen Teil der Bevölkerung. In so einem Fall können Müll und die Tatsache, etwas nicht wegzuschmeißen zu müssen und behalten zu dürfen, bedeutsam für das Selbstwertgefühl werden.
Dass sich ein Erkrankter freiwillig in Behandlung begebe, käme sehr selten vor. Die Einsichtsfähigkeit der Messies sei sehr begrenzt, weiß Bonnet. „Wenn keine Einsichtsänderung da ist, ist es schwer, eine Verhaltensänderung herbeizuführen.“ Und zu einer Therapie könne man Messies nicht zwingen.

Autor:

Nina Möhlmeier aus Castrop-Rauxel

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